Die Nachtwächter
beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.
Er erinnerte sich an Finddich Schwung. Viel davon war Geschichte.
Zu der Revolte wäre es mit oder ohne Schwung gekommen, aber er war
gewissermaßen die Spitze der Eiterbeule.
Er hatte die Assassinenschule besucht, und man hätte ihm nie einen
Posten in der Wache geben dürfen. Er war zu intelligent für einen
Polizisten. Besser gesagt: Er verfügte über die falsche Art von
Intelligenz. Aber Schwung hatte Winder mit seinen Theorien
beeindruckt, wurde als Feldwebel in die Wache aufgenommen und
sofort zum Hauptmann befördert. Den Grund dafür kannte Mumm
nicht. Vielleicht gehörte es sich nicht, dass so ein feiner Herr zusammen
mit den Prolos auf Streife ging. Außerdem war er ein wenig schwach
auf der Brust.
Mumm hatte nichts gegen Intel ekt. Jeder, der genug Grips hatte, um
einen Türknauf zu drehen, konnte in der alten Zeit ein Wächter
werden. Aber um einen höheren Rang als den des Feldwebels zu
erreichen, brauchte man einen Grabbelsack vol er Tücke, Schläue und
einer Straßenweisheit, die man bei schlechtem Licht für »Intelligenz«
halten konnte.
Doch Schwung begann an der falschen Stel e. Er sah sich nicht um,
beobachtete, lernte und sagte dann: »So sind die Leute. Wie werden wir
mit ihnen fertig?« Nein, er setzte sich hin und dachte: »So sol ten die
Leute sein. Wie ändern wir sie?« Solche Überlegungen zeichneten einen
Priester aus, aber nicht einen Polizisten.
Schwungs geduldige, pedantische Art hatte die Polizeiarbeit auf den
Kopf gestel t.
So hatte es zunächst kein Waffengesetz gegeben. Waffen kamen bei
so vielen Verbrechen in der Stadt zum Einsatz, dass Schwung glaubte,
durch eine Verringerung ihrer Anzahl auch die Verbrechensquote zu
senken.
Vermutlich hatte sich Schwung selbst auf die Schulter geklopft, als
ihm diese Idee gekommen war. Beschlagnahmt al e Waffen – dann gibt
es weniger Verbrechen. Es schien durchaus einen Sinn zu ergeben. Und
es hätte auch funktioniert, wenn genug Polizisten im Einsatz gewesen
wären, etwa drei pro Bürger.
Erstaunlicherweise wurden tatsächlich einige Waffen abgegeben.
Doch der Haken bei der ganzen Sache, den Schwung übersehen hatte,
war: Verbrecher achteten das Gesetz nicht. Das gehörte zu ihrem Job.
Sie hatten kein besonderes Interesse daran, die Straßen sicherer zu
machen, es sei denn für sich selbst. Und sie konnten einfach nicht
fassen, was geschah. Man schien ihnen die ganze Stadt zum Geschenk
zu machen.
Einige Bürger vertraten die durchaus vernünftige Ansicht, dass
irgendetwas nicht stimmte, wenn nur Schurken bewaffnet waren. Viele
von ihnen wurden verhaftet. Wenn der durchschnittliche Polizist einen
Tritt zu viel bekommt und den Eindruck gewinnt, dass sich seine
Vorgesetzten nicht darum scheren, so entwickelt er die verständliche
Tendenz, jene Leute zu verhaften, die ihn nicht sofort zu erstechen
versuchen, erst recht dann, wenn sie patzig sind und teurere Kleidung
tragen, als er sie sich leisten kann. Die Anzahl der Verhaftungen stieg
rapide, zu Schwungs großer Zufriedenheit.
Zugegeben, die meisten Leute wurden wegen Waffenbesitz nach
Einbruch der Dunkelheit verhaftet, aber es kamen auch zornige Bürger
hinter Gitter, die sich zu Angriffen auf die Wache hinreißen ließen. So
etwas war tätlicher Angrif auf einen Beamten der Stadt – ein grässliches Verbrechen, weitaus abscheulicher als die vielen Diebstähle und
Überfäl e, zu denen es überal kam.
Es war nicht etwa so, dass in der Stadt Gesetze fehlten. Davon gab es
jede Menge. Aber es war kaum möglich, sie nicht zu brechen. Schwung
schien einfach nicht begreifen zu können, dass das System dazu diente,
Verbrecher zu verhaften und zu versuchen, sie in rechtschaffene
Personen zu verwandeln. Stattdessen griff er sich rechtschaffene
Personen und verwandelte sie in Verbrecher. Und die Wache wurde im
Großen und Ganzen zu einer Bande von vielen Verbrechern.
Und dann, als der ganze verdammte Brei immer dickflüssiger wurde,
erfand Schwung die Kraniometrie.
Schlechte Polizisten hatten immer besondere Methoden verwendet,
um festzustellen, ob jemand schuldig war. Damals in der alten Zeit –
heute – benutzte man zum Beispiel Daumenschrauben, Hämmer, kleine
zugespitzte Holzstücke und natürlich die gewöhnliche
Schreibtischschublade, immer beliebt bei Polizisten, die es eilig hatten.
Schwung brauchte so etwas nicht. Ihm genügte ein Blick auf die
Augenbrauen, um den Schuldigen zu
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