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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.
    Er erinnerte sich an Finddich Schwung. Viel davon war Geschichte.
    Zu der Revolte wäre es mit oder ohne Schwung gekommen, aber er war
    gewissermaßen die Spitze der Eiterbeule.
    Er hatte die Assassinenschule besucht, und man hätte ihm nie einen
    Posten in der Wache geben dürfen. Er war zu intelligent für einen
    Polizisten. Besser gesagt: Er verfügte über die falsche Art von
    Intelligenz. Aber Schwung hatte Winder mit seinen Theorien
    beeindruckt, wurde als Feldwebel in die Wache aufgenommen und
    sofort zum Hauptmann befördert. Den Grund dafür kannte Mumm
    nicht. Vielleicht gehörte es sich nicht, dass so ein feiner Herr zusammen
    mit den Prolos auf Streife ging. Außerdem war er ein wenig schwach
    auf der Brust.
    Mumm hatte nichts gegen Intel ekt. Jeder, der genug Grips hatte, um
    einen Türknauf zu drehen, konnte in der alten Zeit ein Wächter
    werden. Aber um einen höheren Rang als den des Feldwebels zu
    erreichen, brauchte man einen Grabbelsack vol er Tücke, Schläue und
    einer Straßenweisheit, die man bei schlechtem Licht für »Intelligenz«
    halten konnte.
    Doch Schwung begann an der falschen Stel e. Er sah sich nicht um,
    beobachtete, lernte und sagte dann: »So sind die Leute. Wie werden wir
    mit ihnen fertig?« Nein, er setzte sich hin und dachte: »So sol ten die
    Leute sein. Wie ändern wir sie?« Solche Überlegungen zeichneten einen
    Priester aus, aber nicht einen Polizisten.
    Schwungs geduldige, pedantische Art hatte die Polizeiarbeit auf den
    Kopf gestel t.
    So hatte es zunächst kein Waffengesetz gegeben. Waffen kamen bei
    so vielen Verbrechen in der Stadt zum Einsatz, dass Schwung glaubte,
    durch eine Verringerung ihrer Anzahl auch die Verbrechensquote zu
    senken.
    Vermutlich hatte sich Schwung selbst auf die Schulter geklopft, als
    ihm diese Idee gekommen war. Beschlagnahmt al e Waffen – dann gibt
    es weniger Verbrechen. Es schien durchaus einen Sinn zu ergeben. Und
    es hätte auch funktioniert, wenn genug Polizisten im Einsatz gewesen
    wären, etwa drei pro Bürger.
    Erstaunlicherweise wurden tatsächlich einige Waffen abgegeben.
    Doch der Haken bei der ganzen Sache, den Schwung übersehen hatte,
    war: Verbrecher achteten das Gesetz nicht. Das gehörte zu ihrem Job.
    Sie hatten kein besonderes Interesse daran, die Straßen sicherer zu
    machen, es sei denn für sich selbst. Und sie konnten einfach nicht
    fassen, was geschah. Man schien ihnen die ganze Stadt zum Geschenk
    zu machen.
    Einige Bürger vertraten die durchaus vernünftige Ansicht, dass
    irgendetwas nicht stimmte, wenn nur Schurken bewaffnet waren. Viele
    von ihnen wurden verhaftet. Wenn der durchschnittliche Polizist einen
    Tritt zu viel bekommt und den Eindruck gewinnt, dass sich seine
    Vorgesetzten nicht darum scheren, so entwickelt er die verständliche
    Tendenz, jene Leute zu verhaften, die ihn nicht sofort zu erstechen
    versuchen, erst recht dann, wenn sie patzig sind und teurere Kleidung
    tragen, als er sie sich leisten kann. Die Anzahl der Verhaftungen stieg
    rapide, zu Schwungs großer Zufriedenheit.
    Zugegeben, die meisten Leute wurden wegen Waffenbesitz nach
    Einbruch der Dunkelheit verhaftet, aber es kamen auch zornige Bürger
    hinter Gitter, die sich zu Angriffen auf die Wache hinreißen ließen. So
    etwas war tätlicher Angrif auf einen Beamten der Stadt – ein grässliches Verbrechen, weitaus abscheulicher als die vielen Diebstähle und
    Überfäl e, zu denen es überal kam.
    Es war nicht etwa so, dass in der Stadt Gesetze fehlten. Davon gab es
    jede Menge. Aber es war kaum möglich, sie nicht zu brechen. Schwung
    schien einfach nicht begreifen zu können, dass das System dazu diente,
    Verbrecher zu verhaften und zu versuchen, sie in rechtschaffene
    Personen zu verwandeln. Stattdessen griff er sich rechtschaffene
    Personen und verwandelte sie in Verbrecher. Und die Wache wurde im
    Großen und Ganzen zu einer Bande von vielen Verbrechern.
    Und dann, als der ganze verdammte Brei immer dickflüssiger wurde,
    erfand Schwung die Kraniometrie.
    Schlechte Polizisten hatten immer besondere Methoden verwendet,
    um festzustellen, ob jemand schuldig war. Damals in der alten Zeit –
    heute – benutzte man zum Beispiel Daumenschrauben, Hämmer, kleine
    zugespitzte Holzstücke und natürlich die gewöhnliche
    Schreibtischschublade, immer beliebt bei Polizisten, die es eilig hatten.
    Schwung brauchte so etwas nicht. Ihm genügte ein Blick auf die
    Augenbrauen, um den Schuldigen zu

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