Die Nachtwächter
anschließend einige
Ecken in dem Labyrinth aus Gassen hinter sich. Dann blieb er im
Schatten einer tiefen Türöffnung stehen und tastete im Mund nach dem
Pastetenstück, das sich selbst nach Schnappers Pastetenstandard als
unzerkaubar erwiesen hatte.
Wenn man in einer von Schnappers berühmten Pasteten etwas fand,
das noch härter oder knuspriger war als der Rest, so schluckte man es
entweder und hoffte das Beste, oder man spuckte es mit geschlossenen
Augen aus. Mumm stocherte zwischen Zahnfleisch und Wange und
fand einen zusammengefalteten Zettel, auf dem unbekannte Säfte
Flecken hinterlassen hatten.
Er entfaltete ihn. Die schmierige Schrift ließ sich gerade noch
entziffern: Morphische Straße, 9 Uhr heute Abend. Kennwort: Schwertfisch.
Schwertfisch? Das Kennwort lautete immer Schwertfisch! Wenn
jemand nach einem Wort suchte, das niemand erraten würde, so wählte
er stets »Schwertfisch«. Es war eine der seltsamen Schrullen des
menschlichen Geistes.
Das erklärte die Schuld. Eine Verschwörung. Eine weitere verdammte
Verschwörung in einer Stadt vol er Verschwörungen. Musste er über Verschwörungen Bescheid wissen? Nun, von dieser wusste er. Die
berühmte Verschwörung der Morphischen Straße. Ha.
Mumm steckte den fleckigen Zettel in die Tasche, dann zögerte er.
Jemand bewegte sich sehr leise. Eine Art Loch überlagerte die fernen
Straßengeräusche, gefül t mit vorsichtigem Atmen. Mumms
Nackenhaare richteten sich auf.
Langsam zog er den Totschläger aus der Gesäßtasche.
Welche Möglichkeiten standen ihm offen? Er war ein Polizist, und
jemand schlich sich an ihn heran. Wenn der Unbekannte kein Polizist
war, so hatte er Unrecht (weil er, Mumm, ein Polizist war). Wenn auch
der Unbekannte ein Polizist war, so gehörte er zu Schwungs Gruppe
und hatte Unrecht (weil er, Mumm, ein besserer Polizist war, und
ebenso einige Dinge in der Gosse), weshalb es nicht schaden konnte,
ihm eine Portion Dunkelheit zu verpassen.
Aber wie man hörte, schlichen sich Diebe, Assassinen und Schwungs
Männer oft an Leute heran und waren vermutlich recht gut im lautlosen
Anschleichen, während die Person, die Mumm folgte, so dicht an der
Wand blieb, dass er das Kratzen hörte. Das bedeutete vermutlich, dass
es eine öffentliche Person war, die bestimmte Absichten verfolgte, und
allein deshalb wollte Mumm keine weiteren Knochen brechen (weil er
sich für einen guten Polizisten hielt).
Schließlich traf er eine Entscheidung, trat in die Gasse und fragte:
»Ja?«
Ein Junge starrte zu ihm empor. Es musste ein Junge sein. Die Natur
wäre nicht so grausam, so etwas einem Mädchen anzutun. Kein einziges
Merkmal war schlimmer als normal hässlich, aber ihre Kombination
ergab mehr als nur die Summe der Teile. Dazu kam der Geruch. Er war
nicht in dem Sinne schlecht, aber auch nicht ganz menschlich. Er hatte
etwas Wildes.
»Äh…«, sagte das verhärmte Gesicht. »Hör mal, ich mache dir einen
Vorschlag. Du sagst mir, wohin du gehst, und ich verfolge dich nicht
mehr, einverstanden? Kostet dich nicht mehr als einen Cent, und das ist
ein Sonderpreis. Manche Leute bezahlen mir viel mehr, damit ich
aufhöre, ihnen zu folgen.«
Mumm sah den Jungen weiter an. Das Geschöpf trug die viel zu
große, ölig glänzende und grün angelaufene Jacke eines Abendanzugs
und einen Zylinder, der aussah, als hätte einmal ein Pferd auf ihn
getreten. Die dazwischen sichtbaren Teile waren bedauernswert
vertraut.
»O nein…«, stöhnte Mumm. »Nein, nein, nein…«
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Nein, nein, nein… Bei den Göttern, es musste einfach passieren…«
»Soll ich Moosig holen?«
Mumm richtete einen anklagenden Zeigefinger auf das Wesen. »Du
bist Nobby Nobbs, nicht wahr?«
Der Junge wich zurück. »Viel eicht. Na und? Ist das ein Verbrechen?«
Er drehte sich um und wol te weglaufen, aber Mumms Hand fiel
schwer auf seine Schulter.
»Einige Leute könnten dieser Ansicht sein. Du bist Nobby Nobbs,
Sohn von Maisie Nobbs und Sconner Nobbs?«
»Wahrscheinlich. Aber ich habe nichts getan!«
Mumm bückte sich und blickte in Augen, die durch eine Maske aus
Schmutz in die Welt sahen. »Was ist mit einschabern, Jockel pritschen,
Schure stauchen, Gitzlein stolfen, Kol reißen und Klufterei schornen?«
Echte Verwirrung bildete Falten auf Nobbys Stirn. »Was bedeutet
›Schure stauchen‹?«
Auch auf Mumms Stirn entstanden Furchen. Offenbar hatte sich der
Straßenslang in dreißig
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