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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erkennen.
    Er vermaß die Leute mit Greifzirkel und Lineal. Und er schrieb die
    Maße auf und rechnete damit. So teilte er zum Beispiel die Länge der
    Nase durch den Umfang des Kopfes und multiplizierte das Ergebnis
    mit dem Augenabstand. Das Resultat bewies ganz klar, ob man
    unredlich und unzuverlässig war, praktisch von Natur aus ein
    Verbrecher. Nachdem man anschließend zwanzig Minuten bei seinen
    Assistenten verbracht hatte, die weniger hoch entwickelte
    Ermittlungswerkzeuge einsetzten, stellte sich erstaunlicherweise heraus,
    dass Schwung Recht hatte.
    Jeder war schuldig, auf die eine oder andere Weise. Das wusste
    Mumm. Jeder Polizist wusste das. Es half einem, die Autorität zu
    wahren: Jeder, der mit einem Polizisten sprach, fürchtete insgeheim,
    dass man ihm seine geheime Schuld ansehen konnte. Das war natürlich
    nicht der Fall. Aber deshalb sollten Polizisten Verdächtige nicht von der
    Straße zerren und mit einem Hammer ihre Finger zertrümmern, bis sie
    ihre Schuld zugaben.
    Wahrscheinlich wäre Schwung mit dem Gesicht nach unten in
    irgendeiner Gasse geendet, wenn Winder kein nützliches Werkzeug in
    ihm gesehen hätte. Niemand konnte Verschwörer so gut entlarven wie
    Schwung. Und so wurde er zum Oberhaupt der Unaussprechlichen –
    im Vergleich mit den meisten von ihnen war Feldwebel Klopf der beste
    Polizist des Monats. Mumm hatte sich immer gefragt, wie es Schwung
    gelungen war, die Kontrolle zu behalten. Vielleicht erkannte der
    tierische Instinkt jener Mistkerle in Schwung jemanden, der die
    Gemeinheit auf dem langen Weg erreicht hatte und im Namen der
    Vernunft Scheußlichkeiten erfand, von denen der Wahnsinn nur
    träumen konnte.
    Es war nicht leicht, in der Vergangenheit zu leben. Man konnte
    niemanden für etwas bestrafen, das er später tun würde, oder für das,
    was die Welt später herausfand. Man konnte die Leute auch nicht
    warnen. Mumm wusste nicht, was die Zukunft ändern konnte, aber
    wenn er al es richtig verstanden hatte, neigte die Geschichte dazu, die
    richtige Form anzunehmen. Man konnte nur die Kanten ändern,
    gewisse Details. Die wichtigen Dinge ließen sich nicht beeinflussen. Der
    Flieder würde blühen. Die Revolution stand bevor.
    Nun… eine Art von Revolution. Eigentlich war das nicht das richtige
    Wort. Es würde für einige Stunden eine Volksrepublik der
    Sirupminenstraße geben (Wahrheit! Gerechtigkeit! Freiheit! Liebe zu
    vernünftigen Preisen! Und ein hart gekochtes Ei!), eine seltsame Kerze,
    die zu schnel brannte und wie ein Feuerwerkskörper endete. Es würde
    eine Säuberung im Haus des Schmerzes geben, und…
    Wie dem auch sei… Man stellte sich der Aufgabe, die man vor sich
    sah, so wie es fantasielose Polizisten immer getan hatten.
    Gegen ein Uhr am Nachmittag stand Mumm auf. Im Operationssaal
    war Rasen mit etwas beschäftigt, das jemanden wimmern ließ. Mumm
    klopfte an die Tür.
    Nach einigen Sekunden wurde sie einen Spalt geöffnet. Doktor Rasen
    trug eine weiße Maske vor Mund und Nase und hielt eine sehr große
    Pinzette in der Hand.
    »Ja?«
    »Ich gehe jetzt«, sagte Mumm. »Probleme?«
    »Keine großen. Fingerflink Harris hatte gestern Abend Pech beim
    Kartenspiel, das ist alles. Hat das Herzas ausgespielt.«
    »Eine Unglückskarte?«
    »Ja, wenn der Große Toni weiß, dass er sie nicht gegeben hat. Aber
    ich werde sie bald entfernt haben. Wenn du vorhast, heute Abend
    jemanden zu verletzen… könntest du das erledigen, bevor ich zu Bett gehe? Danke.« Rasen schloss die Tür.
    Mumm nickte dem Holz zu und ging los, um sich die Beine zu
    vertreten und nach dem Mittagessen Ausschau zu halten. Es wartete auf
    ihn auf dem Bauchladen eines Mannes.
    Es war ein recht junger Mann, aber sein Gesichtsausdruck war
    vertraut und erinnerte an eine Ratte, die hinter der nächsten Ecke Käse
    erwartete und die auch hinter der letzten Ecke Käse erwartet hatte und
    hinter der davor. Zwar war die Welt bisher vol er Ecken ohne Käse
    gewesen, trotzdem hielt diese speziel e Ratte hartnäckig an der
    Hoffnung fest, dass hinter der nächsten Ecke ganz bestimmt Käse auf
    sie wartete.
    Mumm starrte. Doch warum sollte er überrascht sein? So weit er sich
    erinnern konnte, hatte es immer jemanden gegeben, der in Ankh-
    Morpork verdächtige Dinge verkaufte, die angeblich aus
    Schweinefleisch bestanden. Der Verkäufer war zwar jünger, aber
    bekannt.
    Die Miene des Mannes erhel te sich, als er das ihm unvertraute
    Gesicht sah. Er begegnete gern Leuten, die noch nie

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