Die Nachtwächter
Schwertern sehen, seid ihr
in Schwierigkeiten, und wenn ihr die Schwerter zieht, seid ihr in noch
größeren Schwierigkeiten, und wenn ihr heute Abend die Schwerter
ohne meine Erlaubnis zieht und überlebt, dann bedauert ihr sowohl das
eine als auch das andere, weil ihr es nämlich mit mir zu tun bekommt,
klar? Und dann erfahrt ihr, was echte Schwierigkeiten sind, denn was
ihr bis dahin erlebt habt, wird euch wie ein netter Tag am Meer
erscheinen. Verstanden?«
Fred Colon glotzte ihn an. Man konnte es nicht anders nennen.
»Lass dich von meinem zuckersüßen Tonfal nicht zu der Annahme
verleiten, ich hätte dir keinen verdammten Befehl gegeben«, sagte
Mumm und wandte sich ab. »Mumm?«
»Ja, Oberfeldwebel?«, fragte der junge Sam.
»Haben wir hier eine Säge?«
Schnauzi trat vor. »Ich habe eine Werkzeugkiste, Chef.«
»Auch Nägel?«
»Jaherr!«
»Gut. Reiß die Tür von meinem Spind, schlag viele Nägel hindurch
und leg sie dann oben auf den Treppenabsatz. Ich nehme die Säge und
gehe zum Abort.«
Stille folgte diesen Worten, und nach einigen Sekunden schien sich
Colon verpflichtet zu fühlen, einen Diskussionsbeitrag zu leisten. Er
räusperte sich und sagte:
»Wenn du in dieser Hinsicht ein Problem hast, Oberfeldwebel… Frau
Colon kennt da eine wundervol e Medizin, die…«
»Es wird nicht lange dauern«, meinte Mumm. Nach vier Minuten
kehrte er zurück.
»Alles erledigt«, sagte er und hörte das Hämmern aus dem
Umkleideraum. »Komm mit, Gefreiter. Zeit für eine Lektion in
Verhörtechnik. Oh… und nimm die Werkzeugkiste mit.«
»Fred und Keule sind nicht gern draußen«, sagte Sam, als sie über die
steinernen Stufen nach unten gingen. »Sie fürchten, was passiert, wenn
Unaussprechliche aufkreuzen?«
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Unsere Freunde aus der
Ankertaugasse gehören nicht zu den Leuten, die den Vordereingang
benutzen.«
Mumm öffnete die Tür zu den Zellen. Der Gefangene stand auf und
griff nach den Gitterstäben.
»Na schön, sie sind gekommen, um mich abzuholen«, sagte er. »Wenn
ihr mich jetzt sofort rauslasst, lege ich ein gutes Wort für euch ein.«
»Niemand ist gekommen, um dich abzuholen«, erwiderte Mumm. Er
schloss die Haupttür hinter sich und öffnete dann die Zel entür.
»Vermutlich haben sie zu viel zu tun«, fuhr er fort. »Drüben bei den
Tollen Schwestern soll ziemlich was los gewesen sein. Es gab einige
Tote. Vielleicht dauert es noch eine Weile, bis deine Kollegen Zeit für
dich erübrigen können.«
Der Mann sah zu der Werkzeugkiste in den Händen des Gefreiten. Es
war nur ein kurzer Blick, aber Mumm bemerkte den Moment der
Unsicherheit.
»Ich verstehe«, sagte er. »Guter Polizist, böser Polizist, wie?«
»Wenn du möchtest«, entgegnete Mumm. »Aber wir sind mit dem
Personal ein wenig knapp. Also wenn ich dir eine Zigarette gebe – bist
du dann so freundlich, dir selbst die Zähne einzuschlagen?«
»Dies ist ein Spiel, oder?«, fragte der Gefangene. »Du weißt, dass ich zur Sondergruppe gehöre. Und du bist neu in der Stadt und möchtest
uns beeindrucken. Das ist dir gelungen. Wir haben al e schön gelacht,
haha. Außerdem war ich nur zur Überwachung eingeteilt.«
»Ja, aber so funktioniert das nicht«, sagte Mumm. »Jetzt haben wir
dich hier und können darüber entscheiden, was du verbrochen hast. Du
weißt ja, wie das läuft. Möchtest du ein Ingwerbier?«
Das Gesicht des Mannes erstarrte.
»Weißt du, nach dem Aufruhr von heute Abend hat man uns darauf
hingewiesen, dass es zu revolutionären Angriffen auf die Wachhäuser
kommen könnte«, sagte Mumm. »Ich persönlich rechne nicht damit.
Ich erwarte eher, dass einige ganz normale Leute kommen, weil sie
gehört haben, was geschehen ist. Aber – und du kannst mich Herr
Misstrauisch nennen, wenn du willst – ich habe das Gefühl, dass
Unangenehmes geschehen könnte. Es heißt, wir sol ten den
Bestimmungen der Ausgangssperre Geltung verschaffen. Was
vermutlich bedeutet: Wenn Leute kommen, um sich darüber zu
beklagen, dass Soldaten unbewaffnete Bürger angegriffen haben, was
ich persönlich für ›tätlichen Angriff mit einer tödlichen Waffe‹ halte…«
Oben entstand Unruhe. Mumm nickte dem jungen Sam zu, der die
Treppe hinaufeilte.
»Da mein leicht zu beeindruckender Assistent jetzt weg ist, möchte
ich dich noch auf Folgendes hinweisen«, sagte Mumm leise. »Wenn
auch nur einem meiner Männer heute Nacht etwas zustößt,
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