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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Geräusch pochender Stiefel verklungen war, wandte sich
    Mumm wieder der Gruppe zu und lächelte.
    »Und wann ist deine Pause zu Ende?«, fragte der junge Mann.
    Mumm musterte ihn. Die Haltung verriet: Er wol te kämpfen, obwohl
    er kein Kämpfer war. Wäre dies eine Taverne gewesen, hätte der Wirt
    jetzt seine teureren Flaschen in Sicherheit gebracht, denn solche
    Amateure zertrümmerten immer viel Glas. Jetzt sah Mumm, warum
    ihm das Wort »Taverne« eingefal en war. Eine Flasche ragte aus der
    Tasche des Mannes. Er hatte sich seinen Mut angetrunken.
    »Oh, gegen Donnerstag, schätze ich«, sagte Mumm und sah auf die
    Flasche. Gelächter erhob sich aus der wachsenden Menge.
    »Warum Donnerstag?«, fragte der Angetrunkene.
    »Weil ich am Donnerstag frei habe.«
    Diesmal lachten noch mehr Leute. Wenn sich die Anspannung in die
    Länge zieht, kann man sie leicht zerreißen.
    »Ich verlange, dass du mich verhaftest!«, stieß der Mann hervor. »Na
    los, versuch’s!«
    »Du bist nicht betrunken genug«, sagte Mumm. »An deiner Stel e
    würde ich heimgehen und meinen Rausch ausschlafen.«
    Die Hand des Mannes schloss sich um den Flaschenhals. Jetzt ist es
    so weit, dachte Mumm. Er will es tatsächlich darauf ankommen lassen.
    Ich schätze, seine Chancen stehen etwa eins zu fünf…
    Zum Glück war die Menge noch nicht besonders groß. In einer
    derartigen Situation konnte man keine Leute gebrauchen, die hinten
    standen, den Hals reckten und fragten, was vorne geschah. Und die
    Laternen des Wachhauses beleuchteten den Ort des Geschehens.
    »Mein Freund, davon rate ich dir dringend ab«, sagte Mumm und
    trank einen weiteren Schluck Kakao. Inzwischen war er lauwarm, aber
    Becher und Zigarre beanspruchten beide Hände. Das war wichtig. Er
    hielt keine Waffe. Niemand konnte nachher behaupten, dass er eine
    Waffe in der Hand gehabt hatte.
    »Ich bin kein Freund von Leuten wie euch!«, erwiderte der Mann
    scharf und zerschlug die Flasche an der Mauer neben den Stufen.
    Glas klirrte zu Boden. Mumm beobachtete, wie sich der
    Gesichtsausdruck des Mannes veränderte. Von Alkohol stimulierter
    Zorn wich stechendem Schmerz. Der Mund öffnete sich…
    Der Mann schwankte. Blut quol zwischen seinen Fingern hervor, und
    ein leises Stöhnen kam ihm über die Lippen.
    So sah es aus, im Licht der Laternen: Mumm saß da, in der einen
    Hand einen Becher, in der anderen eine Zigarre, etwa zwei Meter vor
    ihm stand der blutende junge Mann. Kein Kampf, die beiden Männer
    hatten sich nicht einmal berührt… Mumm wusste, wie Gerüchte
    entstanden, und er wol te, dass sich dieses Bild den Leuten fest
    einprägte. Sogar die Asche befand sich noch an seiner Zigarre.
    Einige Sekunden saß er ganz still, dann stand er besorgt auf.
    »Ihr dort, helft mir«, sagte er, legte den Brustharnisch beiseite, zog
    sich das Kettenhemd über den Kopf, griff nach dem Ärmel seines
    Unterhemds und riss einen langen Streifen ab.
    Seine Kommandostimme veranlasste zwei Männer, sich in Bewegung
    zu setzen und den Blutenden zu stützen. Einer von ihnen wol te nach
    der Hand greifen.
    »Fass sie nicht an«, sagte Mumm und zog den Stoffstreifen am
    Handgelenk des jungen Mannes zusammen. »Er hat die Hand vol er
    Glassplitter. Lasst ihn so vorsichtig wie möglich zu Boden sinken,
    bevor er umkippt, aber rührt auf keinen Fal etwas an, solange ich diese
    Aderpresse nicht fertig habe. Sam, geh in den Stal und hol Marlenes
    Decke. Kennt jemand Doktor Rasen? Heraus mit der Sprache!«
    Einer der Zuschauer bestätigte, den Doktor zu kennen, daraufhin
    bekam er den Auftrag, ihn zu holen. Er lief sofort los.
    »Ich habe so etwas schon einmal gesehen«, sagte Mumm laut und
    fügte in Gedanken hinzu: Einmal in zehn Jahren. »Bei einer Schlägerei
    in einer Taverne. Jemand nahm eine Flasche und wusste nicht, wie man
    sie richtig zerbricht. Plötzlich hatte er die Hand vol er Splitter, und der andere nahm sie und drückte sie.« Der Menge entfuhr ein
    zufriedenstel endes Stöhnen. »Weiß jemand, wer dieser Mann ist?«,
    fragte er. »Na los, jemand muss ihn doch kennen…«
    Eine Stimme meinte, dass es sich viel eicht um Joss Gappy handelte,
    einen Schusterlehrling aus dem Neuen Flickschusterweg.
    »Hoffentlich können wir seine Hand retten«, sagte Mumm. »Ich
    brauche ein neues Paar Stiefel.«
    Eigentlich war es nicht komisch, aber die Zuschauer lachten aus
    besorgter Nervosität. Dann wichen die Leute beiseite und machten
    Rasen Platz.
    »Ah«, sagte er und ging neben Gappy in

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