Die Nachtwächter
Na und? Mir scheint, derzeit sieht’s dort draußen ziemlich finster aus! Gefreiter, komm mit auf den Hof.«
Mumm verließ das Wachhaus und trat in den Morgen.
Rein theoretisch diente der Hof auch zur Ausbildung, aber für diesen Zweck wurde er nur selten gebraucht. Die Nachtwache nutzte jede Gelegenheit, Gewalt zu vermeiden. Wenn Drohungen oder zahlenmäßige Überlegenheit versagten, ergriff man besser die Flucht.
Im Schuppen gab es einige vermodernde Zielscheiben und Strohpuppen für Übungen mit dem Schwert. Mumm zog sie aufs Pflaster, als der junge Sam hinter ihm erschien.
»Du hast doch gesagt, die Dinger seien unnütz, Oberfeldwebel.«
»Das sind sie auch«, sagte Mumm. »Ich habe sie hierher gelegt, damit du auf etwas Weiches fällst. Sam, du bist mit einer Waffe unterwegs, mit der du nicht umgehen kannst. Das ist noch schlimmer, als ohne eine Waffe unterwegs zu sein, mit der du umgehen kannst. Ein Mann mit einer Waffe, mit der er nicht umgehen kann, riskiert, dass man sie ihm dorthin steckt, wo die Sonne nicht scheint.«
Er nahm Brustharnisch und Helm ab und warf den Schwertgürtel in eine Ecke.
»Na schön, greif mich an«, sagte Mumm. Aus dem Augenwinkel sah er, dass einige der Männer auf den Hof gekommen waren und das Geschehen beobachteten.
»Aber ich kann dich doch nicht mit dem Schwert erschlagen!«, entfuhr es Sam.
»Nein, aber du sollst es versuchen.«
Sam zögerte erneut. Ich bin kein
völliger
Dummkopf gewesen, dachte Mumm.
»Du lächelst, Oberfeldwebel.«
»Und?«
»Du lächelst und stehst einfach nur da, Oberfeldwebel«, sagte Sam. »Ich weiß, dass mich Dresche erwartet, denn du hast kein Schwert und lächelst.«
»Hast du Angst davor, dein Schwert mit Blut zu beflecken, Junge? Na schön, wirf es weg. Fühlst du dich jetzt besser? Du warst Mitglied einer Bande, nicht wahr? Natürlich warst du das. Jeder Junge ist irgendwann Mitglied einer Bande. Und du lebst. Was bedeutet, dass du zu kämpfen gelernt hast.«
»Ja, Oberfeldwebel, aber das war, du weißt schon, gemeines Kämpfen…«
»Wir sind gemeine Leute«, sagte Mumm. »Ich erwarte das Schlimmste von dir.«
»Ich möchte dich nicht verletzen, Oberfeldwebel!«
»Das ist dein erster Fehler…«
Sam wirbelte herum und trat zu.
Mumm wich einen Schritt zurück, griff nach dem Fuß und beschleunigte dessen Reise nach oben.
Und ich war auch schnell, dachte er, als Sam auf dem Rücken landete. Und schlau. Aber seitdem habe ich viel dazugelernt.
»Es stand in deinen Augen«, teilte er dem am Boden liegenden Sam mit. »Aber du hast das grundlegende Konzept verstanden. Es gibt keine Regeln.«
Mumm spürte eine Veränderung hinter sich, und dazu gehörte ein sehr gedämpftes Kichern. Er sah zu Sam, der an ihm vorbeiblickte.
Der Schlag hätte den Kopf getroffen, wäre Mumm nicht genau im richtigen Moment zur Seite getreten. Er drehte sich um, griff nach der Faust und sah in das Gesicht von Ned Coates.
»Hast du einen schönen freien Tag, Coates?«, fragte Mumm.
»Ja, Oberfeldwebel, besten Dank. Wollte nur feststellen, wie gut du bist.«
Er rammte Mumm den Ellenbogen in die Magengrube und tänzelte zur Seite. Die Zuschauer brummten, aber Mumm, vornübergebeugt und mit Tränen in den Augen, hob die Hand.
»Schon gut, schon gut«, keuchte er. »Wir alle haben etwas zu lernen.« Er stützte die Hände auf die Knie und schnaufte hingebungsvoller, als nötig war.
Es beeindruckte ihn, dass Ned nicht darauf hereinfiel. Er wahrte sichere Distanz, ging langsam im Kreis um ihn herum und hielt jetzt seinen Schlagstock bereit. Ein weniger erfahrener Kämpfer wäre näher gekommen, um zu sehen, wie es dem guten alten Oberfeldwebel ging – und hätte dafür gebüßt.
»Ganz recht, Oberfeldwebel«, sagte Ned. »Ich möchte sehen, was du
mich
lehren kannst. Sam ist zu vertrauensselig.«
Mumms Gedanken blätterten hastig den Katalog der Möglichkeiten durch.
»Nun, Oberfeldwebel«, sagte Ned und blieb in Bewegung, »was tust du, wenn du unbewaffnet bist und von einem Mann angegriffen wirst, der einen Schlagstock hat?«
Ich würde mich so schnell wie möglich bewaffnen, wenn ich annehmen müsste, dass der Angreifer so gut ist wie du, dachte Mumm.
Er sprang und rollte herum. Neds Hieb verfehlte ihn. Als Mumm begonnen hatte, sich nach rechts zu bewegen, wandte sich Coates nach links, in der Annahme, dass es jemand wie Mumm zuerst mit einer Finte versuchte. Als er sich von der Überraschung erholte und umdrehte, griff Mumm nach der Scheide
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