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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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seine
     Taschen, bevor sie die zerrissene Kleidung wegwarf. Sie fand nicht viel: etwas Geld, seine
     Papiere, eine lederne Brieftasche und eine Filmdose. Sie stapelte alles auf dem Kaminsims
     neben seinem Fischmesser. Er würde ein paar von Davids Kleidungsstücken benötigen.
    Sie ging nach oben, um nach Jo zu sehen. Der Junge war eingeschlafen; er lag auf seinem
     Teddybär und hatte die Arme ausgestreckt. Lucy küßte ihn auf seine weiche Wange und
     steckte ihn unter die Decke. Dann fuhr sie den Wagen in den Schuppen.
    Schließlich
     holte sie sich in der Küche etwas zu trinken, setzte sich ins Wohnzimmer und sah Henry
     an. Sie wünschte sich, daß er aufwachen und sie wieder lieben würde.
    Es war fast Mitternacht, als er erwachte. Er öffnete die Augen, und in
     seinem Gesicht lief wieder das dreiteilige Mienenspiel ab, das sie inzwischen kannte: erst
     Angst, dann der argwöhnische Rundumblick, dann die Entspannung. Sie fragte unvermittelt:
     »Wovor hast du Angst, Henry?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Du siehst immer verängstigt aus, wenn du aufwachst.«
    »Keine
     Ahnung.« Er zuckte die Schulter, und die Bewegung schien ihm weh zu tun. »Mein Gott, bin
     ich fertig.«
    »Erzähle mir bitte, was passiert ist.«
    »Ja, wenn du mir
     einen Brandy gibst.«
    Sie holte den Brandy aus dem Schrank. »Du kannst ein paar von
     Davids Sachen haben.«
    »Gleich . . . wenn es dir nichts ausmacht.«
    Sie
     reichte ihm lächelnd das Glas. »Es gefällt mir sogar.«
    »Was ist mit meinen
     Sachen?«
    »Ich mußte sie abschneiden und wegwerfen.«
    »Nicht die Papiere,
     hoffe ich.« Er lächelte, doch inmittelbar hinter seinem Lächeln schien sich eine andere
     Empfindung zu verbergen.
    »Auf dem Kamin.« Sie zeigte mit dem Finger darauf. »Das
     Messer ist wohl zum Fischesäubern?«
    Seine rechte Hand fuhr zu seinem linken
     Unterarm, wo die Scheide gewesen war. »So was Ähnliches.« Er schien sich einen
     Augenblick lang unbehaglich zu fühlen, gab sich aber sofort Mühe, gelöst zu wirken, und
     schlürfte seinen Drink. »Das tut gut.«
    Nach einer Weile sagte sie: »Also?«
    »Was?«
    »Warum hast du meinen Mann zurückgelassen, und wie ist der Unfall
     passiert?«
    »David beschloß, über Nacht bei Tom zu bleiben. Einige Schafe waren
     in die Schlucht gestürzt – «
    »Ich weiß, wo das ist.«
    »– und sechs
     oder sieben von ihnen wurden verletzt. Sie sind alle in Toms Küche, werden verarztet und
     machen einen Höllenlärm. David meinte, ich solle zurückfahren und dir sagen, daß er
     dortbleibt.
    Ich weiß eigentlich nicht, wieso es zu diesem Unfall kam. Der Wagen ist
     mir eben fremd, es gibt keine richtige Straße, und ich bin auf etwas geprallt und ins
     Schleudern gekommen. Plötzlichlag das Auto auf der Seite. Die
     Einzelheiten . . . « Er zuckte die Achseln.
    »Du mußt sehr schnell gefahren sein;
     du warst in einem fürchterlichen Zustand.«
    »Wahrscheinlich bin ich im Jeep hin
     und her geschleudert worden. Dabei habe ich mir den Kopf angestoßen, den Knöchel
     verstaucht . . . «
    »Einen Fingernagel verloren, überall Prellungen im Gesicht und
     fast eine Lungenentzündung geholt. Unfälle müssen dich magisch anziehen.«
    Er
     schwang die Beine auf den Fußboden, stand auf und ging zum Kamin.
    »Es ist
     unglaublich, wie schnell du dich erholst.«
    Er schnallte sich das Messer an den
     Arm. »Wir Fischer sind sehr gesund. Was ist mit der Kleidung?«
    Sie erhob sich und
     stellte sich dicht neben ihn. »Wozu willst du dich anziehen? Es ist Zeit zum
     Schlafengehen.«
    Er zog sie an sich, drückte sie gegen seinen nackten Körper und
     küßte sie leidenschaftlich. Sie streichelte seine Schenkel.
    Nach einer Weile
     löste er sich von ihr. Er nahm seine Sachen vom Kaminsims, ergriff ihre Hand und ging mit
     ihr humpelnd in das obere Stockwerk hinauf, wo er sie ins Bett begleitete.

FÜNFTER TEIL – KAPITEL 30
    ie breite, weiße Autobahn
     schlängelte sich durch das bayrische Tal in die Berge hinauf. Feldmarschall Gerd von
     Rundstedt saß still und müde auf dem ledernen Rücksitz des Stabs-Mercedes. Von Rund-
     stedt war neunundsechzig Jahre alt und wußte, daß er zuviel von Champagner, aber zuwenig
     von Hitler hielt. Sein langes, trauriges Gesicht spiegelte eine militärische Laufbahn
     wider, die länger und unberechenbarer gewesen war als die jedes anderen Offiziers in
     Hitlers Wehrmacht; er konnte nicht mehr genau sagen, wie oft er in Ungnade gefallen und
     entlassen

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