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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Erkenntnisse und eine neue Theorie. Erstens
     die Nachrichtenlage: Das Ziel der alliierten Luftangriffe in Frankreich in der letzten Zeit
     läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß alle Brücken über die Seine zerstört werden
     sollen. Wenn sie bei Calais landen, ist die Seine für die Invasion bedeutungslos; wenn sie
     aber in der Normandie landen, müssen all unsere Entsatztruppen die Seine überqueren, um
     in das Kampfgeschehen einzugreifen.
    Zweitens, die Logik: Ich habe mir überlegt, wie
     ich als alliierter Oberbefehlshaber bei einer Invasion in Frankreich vorgehen würde. Ich
     komme zu dem Schluß, daß zunächst ein Brückenkopf errichtet werden muß, durch den
     unverzüglich Menschen und Material geschleust werden können. Also muß der erste Stoß
     auf ein Gebiet mit einem großen und geräumigen Hafen abzielen. Dafür bietet sich wie von
     selbst Cherbourg an. Sowohl die Art der Bombardierungen«, beendete Rundstedt seine
     Darlegungen, »als auch die strategischen Erfordernisse deuten auf die Normandie hin.«
    Er nahm sein Glas und leerte es. Die Ordonnanz kam sofort, um
     nachzufüllen.
    Jodl sagte: »Alle Geheimdienstberichte deuten auf Calais – «
    »Und ich habe gerade den Chef der Abwehr wegen Verrats abgesetzt«, unterbrach ihn
     Hitler. »Herr Krancke, haben diese Ausführungen Sie überzeugt?«
    »Nein, mein
     Führer«, erwiderte der Admiral. »Auch ich habe darüber nachgedacht, wie ich die
     Invasion anlegen würde, wenn ich auf der anderen Seite wäre – aber ich habe dabei eine
     Reihe von seemännischen Faktoren berücksichtigt, die Herr von Rundstedt vielleicht außer
     acht gelassen hat. Ich meine, daß sie im Schutze der Dunkelheit, bei Mondlicht und Flut,
     angreifen werden, um Rommels Unterwasserhindernisse zu überwinden, und weit entfernt von
     Klippen, Gewässern mit felsigem Untergrund und starken Strömungen. Die Normandie?
     Niemals.«
    Hitler schüttelte empört den Kopf.
    »Es gibt noch eine
     Nachricht, die ich für bedeutsam halte«, sagte Jodl. »Die Garde-Panzerdivision ist aus
     dem Norden Englands nach Hove an der Südostküste verlegt worden, um sich der First United
     States Army Group unter General Patton anzuschließen. Das wissen wir durch unseren
     Abhördienst – unterwegs wurde Gepäck vertauscht, eine Einheit hatte die silbernen
     Bestecke einer anderen, und die Dummköpfe haben sich über Funk darüber gestritten. Es
     handelt sich um eine britische Elitedivision, sehr traditionsbewußt, die von General Sir
     Allan Henry Shafto Adair kommandiert wird. Ich bin sicher, daß sie an vorderster Front
     kämpfen wird, wenn es soweit ist.«
    Hitlers Hände wiesen Anzeichen von Nervosität
     auf, und in seinem Gesicht konnte man die Qualen sehen, die ihm dieses Hin und Her
     bereitete. »Generäle!« knurrte er. »Entweder bekomme ich widersprüchliche Ratschläge
     oder überhaupt keine! Alles muß ich Ihnen sagen – alles!«
    Mit der ihm eigenen
     Kühnheit griff von Rundstedt in die Debatte ein. »Mein Führer, Sie haben vier
     ausgezeichnete Panzerdivisionen untätig im Reich stehen. Wenn meine Theorie stimmt,können sie niemals schnell genug die Normandie erreichen, um die Invasion
     zurückzuschlagen. Ich bitte Sie, diese Verbände nach Frankreich zu verlegen und
     Feldmarschall Rommel zu unterstellen. Wenn wir uns täuschen und die Invasion in Calais
     beginnt, werden sie immer noch nahe genug sein, um in den Kampf eingreifen zu
     können.«
    »Ich weiß nicht – ich weiß nicht!« Hitlers Augen weiteten sich, und
     von Rundstedt fragte sich, ob er wieder einmal zu weit gegangen war.
    Von Puttkamer
     sprach zum erstenmal. »Mein Führer, heute ist Sonntag.«
    »Und?«
    »Morgen
     abend könnte das U-Boot den Spion abholen – die Nadel.«
    »Ach ja! Dem kann ich
     trauen.«
    »Natürlich könnte er jederzeit seinen Bericht funken, wenngleich das
     gefährlich wäre – «
    »Wir haben keine Zeit, Entscheidungen aufzuschieben«,
     widersprach von Rundstedt. »Luftangriffe und Sabotageakte haben dramatisch zugenommen. Wir
     müssen jeden Tag mit der Invasion rechnen.«
    »Ich bin anderer Meinung«, sagte
     Krancke. »Die Witterungsbedingungen werden erst Anfang Juni dafür geeignet sein.«
    »Das ist nicht mehr lange!«
    »Genug!« rief Hitler. »Ich habe mich
     entschieden. Meine Panzer bleiben in Deutschland. Am Dienstag, wenn wir von der Nadel
     gehört haben, werde ich den Einsatz dieser Truppen überdenken. Wenn seine Nachricht auf
     die

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