Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
Vom Netzwerk:
Kanisters und befestigte sie mit Klebeband. Darauf schloß sie die Motorhaube.
    Wenn Henry kam, würde er mit Sicherheit versuchen, denWagen zu
     starten. Er würde den Anlasser betätigen, die Kerze würde zünden, und die zwei Liter
     Benzin würden explodieren.
    Sie war sich nicht sicher, wieviel Schaden damit
     angerichtet werden mochte; jedenfalls würde es ihn aufhalten.
    Eine Stunde später
     bedauerte sie ihre eigene Klugheit.
    Während sie sich, bis auf die Haut durchnäßt,
     mit dem schlafenden Kind als schwerer Last auf der Schulter durch den Matsch schleppte,
     wünschte sie sich nichts mehr, als sich hinzulegen und zu sterben. Im Rückblick erschien
     die Falle von zweifelhaftem Wert und riskant. Das Benzin würde verbrennen, nicht
     explodieren. Wenn nicht genügend Luft in der Kanisteröffnung war, würde es vielleicht
     nicht einmal Feuer fangen. Aber am schlimmsten war, daß Henry vielleicht mit einer Falle
     rechnen, unter die Motorhaube schauen, die Bombe entschärfen, das Benzin in den Tank
     gießen und hinter ihr herfahren könnte.
    Lucy überlegte, ob sie eine Pause machen
     solle, kam aber zu dem Schluß, daß sie vielleicht nicht mehr imstande wäre aufzustehen,
     wenn sie sich jetzt hinsetzte.
    Inzwischen hätte Toms Haus in Sichtweite kommen
     müssen. Sie konnte sich auf keinen Fall verirrt haben – selbst wenn sie diesen Weg nicht
     schon Dutzende von Malen zurückgelegt hätte. Die ganze Insel war einfach nicht groß
     genug, um sich darauf zu verirren.
    Sie erkannte ein Dickicht, in dem sie und Jo
     einmal einen Fuchs beobachtet hatten. Sie mußte ungefähr eine Meile vom Haus des
     Schafhirten entfernt sein. Wenn der Regen nicht gewesen wäre, hätte sie es sehen
     können.
    Lucy legte Jo auf ihre andere Schulter, nahm die Schrotflinte von einer
     Hand in die andere und quälte sich weiter voran.
    Als das Haus endlich durch den
     strömenden Regen hindurch sichtbar wurde, hätte sie vor Erleichterung weinen können. Die
     Entfernung war geringer, als sie gedacht hatte – vielleicht noch eine Viertelmeile.
    Plötzlich schien Jo leichter geworden zu sein. Obwohl das letzte Stück bergan führte
     – den einzigen Hügel auf der Inselhinauf –, legte sie es, so schien
     es ihr, in Sekundenschnelle zurück.
    »Tom!« rief Lucy, während sie sich der
     Vordertür näherte. »Tom, oh, Tom!«
    Bob, der Schäferhund, antwortete mit einem
     Bellen.
    Sie trat durch die Vordertür ins Haus. »Tom, schnell!« Bob sprang
     aufgeregt um ihre Füße und bellte heftig. Tom konnte nicht weit sein – wahrscheinlich
     war er draußen auf der Toilette. Lucy ging nach oben und legte Jo auf Toms Bett.
    Das Funkgerät stand im Schlafzimmer. Es bestand aus einer verwirrenden Konstruktion aus
     Drähten, Skalen und Knöpfen. Ein Teil erinnerte sie an eine Morsetaste. Sie berührte sie
     versuchsweise, ein Piepton erklang. Aus den Tiefen ihrer Kindheitserinnerungen –
     wahrscheinlich aus einer Detektivgeschichte für Mädchen – erinnerte sie sich an die
     Morsezeichen für SOS. Sie berührte die Taste von neuem: drei kurz, drei lang, drei
     kurz.
    Wo war Tom?
    Sie hörte ein Geräusch und rannte ans Fenster.
    Der
     Geländewagen kam den Hügel herauf.
    Henry hatte die Falle entdeckt und das Benzin
     benutzt, um den Tank zu füllen.
    Wo war Tom?
    Sie eilte aus dem Schlafzimmer, um draußen an die Toilettentür zu klopfen. Oben an der
     Treppe hielt sie inne. Bob stand in der offenen Tür des anderen Schlafzimmers, das unbenutzt
     war.
    »Komm her, Bob«, befahl Lucy. Der Hund blieb stehen und bellte. Sie ging zu ihm
     und bückte sich, um ihn hochzuheben. Dann sah sie Tom.
    Er lag auf dem Rücken auf den
     nackten Holzbrettern des unmöblierten Schlafzimmers, seine Augen starrten blind an die Decke,
     seine Mütze lag umgekehrt hinter seinem Kopf. Seine Jacke war geöffnet, und auf dem Hemd
     darunter war ein kleiner Blutfleck. Dicht neben seiner Hand stand ein Kasten mit
     Whiskyflaschen, und Lucy ertappte sich plötzlich bei dem unsinnigen Gedanken: Ich wußte gar
     nicht, daß er so viel trinkt.
    Sie fühlte seinen Puls.
    Er war tot.
    Denk nach, denk
     nach!
    Gestern war Henry übel zugerichtet zu Lucys Haus zurückgekehrt, als sei er
     in einen Kampf verwickelt gewesen. Dabei mußte er David getötet haben. Heute war er
     hierher, zu Toms Haus, gekommen, »um David zu holen«. Er hatte aber doch gewußt, daß
     David nicht hier war. Warum hatte er also die Fahrt unternommen?
    Es lag auf der
     Hand:

Weitere Kostenlose Bücher