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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Landhäusern und in den Fenstern von Bauernhöfen, an den
     Türmen von Kathedralen und an Gasthausschildern – vor allem aber das helle Glühen der
     tausend Lichter einer nahen Stadt, das sich niedrig am Horizont zeigt. Selbst wenn man
     etwas hätte sehen können, hätte es keine Wegweiser gegeben, um sich zu orientieren: Sie
     waren entfernt worden, um die deutschen Fallschirmspringer zu verwirren, mit denen
     jederzeit gerechnet wurde. Aber David kannte den Weg nach London ohnehin gut.
    Sie
     fuhren eine lange Steigung hinauf. Der kleine Sportwagen bewältigte sie spielend. Lucy
     blickte mit halbgeschlossenen Augen in die vor ihnen liegende Schwärze. Der Abhang des
     Hügels war steil und gewunden. Lucy hörte das ferne Brummen eines näher kommenden
     Lastwagens.
    Die Reifen des MG quietschten, während David um die Kurven raste. »Du
     fährst, glaube ich, zu schnell«, sagte Lucy nachsichtig.
    Das Hinterteil des Autos geriet in einer Linkskurve ins Schleudern. David
     schaltete zurück; er wollte nicht bremsen, damit der Wagen nicht nochmals ins Rutschen
     kam. Zu beiden Seiten waren die Heckenreihen vage im Licht der abgedunkelten Scheinwerfer
     zu erkennen. Eine scharfe Rechtskurve folgte, und David verlor wieder die Gewalt über die
     Hinterräder. Die Kurve schien überhaupt nicht aufzuhören. Das kleine Auto rutschte zur
     Seite und drehte sich um hundertachtzig Grad, so daß es in die entgegengesetzte Richtung
     fuhr; dann drehte es sich weiter.
    Lucy schrie. »David!«
    Plötzlich trat der
     Mond hinter den Wolken hervor, und sie sahen den Lastwagen. Er kämpfte sich im
     Schneckentempo den Hang empor. Dichter Rauch, vom Mond in silbernes Licht getaucht,
     strömte aus seiner schnauzenförmigen Motorhaube. Lucys Blick erhaschte das Gesicht des
     Fahrers, sogar seine Tuchmütze und seinen Schnurrbart. Sein Mund stand vor Entsetzen
     offen, während er sich auf die Bremsen stemmte. Das Auto fuhr jetzt wieder vorwärts. Der
     Platz würde knapp reichen, wenn David die Beherrschung über das Auto wiedergewinnen
     konnte. Er zog das Lenkrad mühsam herum und berührte das Gaspedal. Das war ein
     Fehler.
    Der MG und der Lastwagen stießen frontal zusammen.

ERSTER TEIL – KAPITEL 4
    as Ausland hat Spione,
     England hat Military Intelligence , wie der britische Geheimdienst traditionell
     genannt wird. Als ob der Euphemismus nicht genügte, wird er auch noch zu MI abgekürzt. Im
     Jahre 1940 war der MI ein Teil des Kriegsministeriums. Er breitete sich damals – was
     niemanden überraschte – aus wie Unkraut, und seine verschiedenen Abteilungen wurden
     durch Ziffern gekennzeichnet: MI9 kümmerte sich um die Fluchtrouten aus
     Kriegsgefangenenlagern durch das besetzte Europa hindurch in neutrale Länder; MI8 hörte
     den Funkverkehr des Feindes ab und war wertvoller als sechs Regimenter; MI6 schickte
     Agenten nach Frankreich.
    Es war der MI5, dem sich Professor Percival Godliman im
     Herbst des Jahres 1940 anschloß. An einem kalten Septembermorgen tauchte er im
     Kriegsministerium in Whitehall auf, nachdem er die Nacht damit zugebracht hatte, überall
     im East End Feuer zu löschen. Die deutschen Luftangriffe hatten ihren Höhepunkt erreicht,
     und er war Hilfsfeuerwehrmann.
    Im Frieden, wenn es nach Godlimans Meinung auf
     Spionage ohnehin nicht ankam, arbeiteten im Geheimdienst nur Soldaten. Doch jetzt, so fand
     er heraus, war der MI mit Amateuren besetzt; er entdeckte zu seiner Freude, daß er die
     Hälfte der Angehörigen des MI5 kannte. Am ersten Tag traf er einen Rechtsanwalt aus
     seinem Klub, einen Kunsthistoriker, der zusammen mit ihm auf dem College gewesen war, einen
     Archivar seiner Universität und einen Schriftsteller, dessen Kriminalromane er am liebsten
     las.
    Um 10 Uhr wurde er in Colonel Terrys Büro gebeten. Terry war schon mehrere
     Stunden dort gewesen: Im Papierkorb lagen zwei leere Zigarettenschachteln.
    Godliman
     fragte: »Muß ich dich jetzt ?Sir? nennen?«
    »Hier gibt’s nicht viel Trara,
     Percy. ?Onkel Andrew? genügt vollkommen. Setz dich!«
    Trotzdem strahlte Terry eine Frische aus, die ihm im Savoy gefehlt
     hatte. Godliman fiel auf, daß er nicht lächelte und daß sich seine Aufmerksamkeit immer
     wieder einem Stapel ungelesener Funksprüche auf dem Schreibtisch zuwandte.
    Terry
     schaute auf seine Uhr und sagte: »Ich werde dich ganz kurz ins Bild setzen – den Vortrag
     beenden, den ich beim Lunch begonnen habe.«
    Godliman lächelte. »Diesmal werde ich
    

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