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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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von ihm
     an eine bekannte deutsche Deckadresse abfing. Offensichtlich war er ein Mann ohne
     Prinzipien. Ihm kam es nur darauf an, Spion zu sein. Wir nannten ihn Snow, die Deutschen
     nannten ihn Johnny.
    Im Januar 1939 erhielt Snow einen Brief, der (a) die
     Gebrauchsanweisung für ein Funkgerät und (b) einen Schein für die Gepäckaufbewahrung in
     Victoria Station enthielt.
    Er wurde am Tage nach Kriegsausbruch verhaftet. Man
     sperrte ihn mit seinem Funkgerät (das er gegen Vorlage des Gepäckscheins in einem Koffer
     abgeholt hatte) ins Wandworth-Gefängnis ein. Er hielt den Kontakt mit Hamburg aufrecht,
     aber jetzt wurden all seine Botschaften von der Abteilung B1(a) des MI5 geschrieben.
    Die deutsche Abwehr befahl ihm, Verbindung mit zwei weiteren deutschen Agenten
     aufzunehmen, die wir sofort hochgehen ließen. Sie gaben ihm außerdem einen Code und
     Anweisungen für den Funkverkehr, was von unschätzbarem Wert war.
    Nach Snow kamen Charlie, Rainbow, Summer, Biscuit und schließlich ein
     kleines Heer von feindlichen Agenten, die alle regelmäßigen Kontakt mit Canaris hatten,
     alle sein Vertrauen zu genießen schienen – und alle völlig vom britischen
     Gegenspionage-Apparat gelenkt wurden.
    Am Horizont zeichnete sich für den MI5 noch
     undeutlich eine unglaublich verlockende Perspektive ab: Mit ein bißchen Glück könnte er das gesamte deutsche Spionagenetz in Großbritannien unterwandern und nach seiner Pfeife
     tanzen lassen.
    Agenten zu Doppelagenten zu machen, statt sie zu hängen, hat zwei entscheidende
     Vorteile«, meinte Terry abschließend. »Da der Feind seine Spione immer noch für aktiv
     hält, versucht er nicht, sie durch andere zu ersetzen, die vielleicht nicht gefangen
     werden. Und da wir die Informationen liefern, welche die Spione an ihre Führungsoffiziere
     weitergeben, können wir den Feind täuschen und seine Strategen irreführen.«
    »So
     einfach kann es doch nicht sein«, sagte Godliman.
    »Natürlich nicht.« Terry öffnete
     ein Fenster, um den Mief von Zigaretten- und Pfeifenrauch abziehen zu lassen. »Damit das
     System funktioniert, muß es nahezu lückenlos sein. Wenn es hier eine erhebliche Zahl von
     echten Agenten gibt, widersprechen ihre Informationen denen der Doppelagenten, und die Abwehr
     riecht den Braten.«
    »Das klingt ungeheuer aufregend«, meinte Godliman. Seine Pfeife
     war ausgegangen.
    Terry lächelte zum ersten Mal an diesem Morgen. »Man wird dir hier
     erzählen, daß es sehr anstrengend ist – lange Arbeitszeiten, große nervliche Belastung,
     Enttäuschungen –, aber du hast recht, es ist aufregend.« Er schaute auf die Uhr. »Ich
     möchte dich jetzt mit einem sehr aufgeweckten jungen Mann aus meinem Stab bekanntmachen. Ich
     begleite dich zu seinem Büro.«
    Sie verließen das Zimmer, stiegen einige Treppen
     hinauf und gingen durch mehrere Flure. »Er heißt Frederick Bloggs und ärgert sich, wenn man
     Witze darüber macht, denn er ist alles andere als ein Tölpel«, fuhr Terry fort. »Wir haben
     ihn ScotlandYard abspenstig gemacht – er war Inspektor im Special
     Branch. Wenn du jemanden fürs Praktische brauchst, setz ihn ein. Dein Rang ist höher als
     seiner, aber darauf würde ich nicht zuviel geben – das ist hier nicht üblich. Aber
     wahrscheinlich brauche ich dir das gar nicht zu sagen.«
    Sie betraten ein kleines,
     kahles Zimmer, dessen Fenster auf eine nackte Wand schaute. Auf dem Boden lag kein
     Teppich. Die Photographie eines hübschen Mädchens hing an der Wand, und ein Paar
     Handschellen baumelte am Hutständer.
    Terry sagte: »Frederick Bloggs, Percival
     Godliman. Ich lasse euch jetzt allein.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch war blond und
     untersetzt. Er muß gerade groß genug gewesen sein, um in den Polizeidienst aufgenommen zu
     werden, dachte Godliman. Seine Krawatte war alles andere als eine Augenweide, er hatte jedoch
     ein angenehmes, offenes Gesicht und ein gewinnendes, breites Lächeln. Sein Händedruck war
     fest.
    »Hören Sie zu, Percy«, sagte er, »ich wollte gerade zum Lunch nach Hause
     flitzen – wollen Sie nicht mitkommen? Meine Frau macht großartige Würstchen mit Fritten.«
     Er sprach mit breitem Cockney-Akzent.
    Wurst mit Pommes frites war nicht gerade
     Godlimans Lieblingsessen, doch er nahm die Einladung an.
    Sie gingen zum Trafalgar
     Square und nahmen einen Bus nach Hoxton.
    Bloggs sagte grinsend: »Ich habe ein
     wunderbares Mädchen geheiratet, aber sie kann um’s Verrecken nicht

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