Die Nadel.
kochen. Es gibt jeden
Tag Wurst und Fritten.«
In Ostlondon schwelten immer noch Feuer nach dem Luftangriff
der letzten Nacht. Sie kamen an Gruppen von Feuerwehrmännern und Freiwilligen vorbei, die in
den Trümmern wühlten, die letzten Brandherde löschten und den Schutt von den Straßen
räumten. Sie sahen einen alten Mann, der sein Radio, offenbar das teuerste Stück für ihn,
aus einem halbzerbombten Haus heraustrug.
Godliman machte Konversation. »Wir sollen also zusammen Spione
fangen?«
»Wir werden’s versuchen.«
Bloggs’ Heim war eine schmale
Doppelhaushälfte mit nur drei Zimmern, in einer Straße, in der alle Häuser gleich
aussahen. In jedem der winzigen Vorgärten wurde Gemüse angebaut. Mrs. Bloggs war das
hübsche Mädchen von der Photographie an der Bürowand. Sie sah erschöpft aus. Bloggs
sagte: »Sie fährt einen Krankenwagen während der Luftangriffe. Stimmt’s, Liebling?«
Er war stolz auf sie. Sie hieß Christine.
»Jeden Morgen, wenn ich zurückkomme,
frage ich mich, ob das Haus noch da ist«, erklärte sie.
»Wie Sie merken, macht
sie sich um das Haus mehr Sorgen als um mich«, flachste Bloggs.
Godliman nahm eine
Medaille aus einem Schaukästchen vom Kaminsims. »Wofür ist die?«
Ehe Bloggs
etwas sagen konnte, hatte Christine schon geantwortet. »Er hat einem Verbrecher, der ein
Postamt überfallen hatte, die Schrotflinte abgenommen.«
»Ich sehe, Sie passen
glänzend zusammen«, entgegnete Godliman.
»Sind Sie verheiratet, Percy?« fragte
Bloggs.
»Ich bin Witwer.«
»Tut mir leid.«
»Meine Frau starb 1930
an Tuberkulose. Wir hatten keine Kinder.«
»Wir wollen auch noch keine«, sagte
Bloggs. »Nicht, solange die Welt so aussieht.«
»Aber Fred, das interessiert ihn
doch gar nicht!« tadelte Christine. Sie ging hinaus in die Küche.
Sie setzten
sich zum Essen an einen quadratischen Tisch in der Mitte des Zimmers. Godliman war gerührt
von diesem Paar und seiner Häuslichkeit und dachte plötzlich an seine Eleanor. Das war
ungewöhnlich, denn sentimentale Anwandlungen waren ihm seit Jahren nicht mehr
untergekommen. Vielleicht lages an seinen Nerven. Der Krieg brachte
merkwürdige Dinge zustande.
Christines Kochkunst war wirklich grauenhaft. Die
Würste waren angebrannt. Bloggs ertränkte seine Mahlzeit in Tomatenketchup, und Godliman
tat fröhlich das gleiche.
Wieder in Whitehall angekommen,
zeigte Bloggs Godliman die Kartei über noch nicht identifizierte Feindagenten, die
vermutlich immer noch in Großbritannien aktiv waren.
Es gab im wesentlichen drei
Informationsquellen. Die erste bestand aus den Einwanderungslisten des
Innenministeriums. Die Paßkontrolle war seit langem ein Arm des Geheimdienstes, und es gab
eine Liste – die bis zum letzten Krieg zurückging – von Ausländern, die ins Land
eingereist, es aber nicht verlassen hatten und auch unter keiner anderen Rubrik, etwa als
Sterbefall oder bei Einbürgerung, erfaßt worden waren. Bei Kriegsausbruch waren sie alle
vor Kommissionen geladen worden, die sie in drei Gruppen einteilten. Zuerst wurden nur
Ausländer der Gruppe »A« interniert, aber bis Juli 1940 waren, nach einiger Panikmache
durch die Fleet Street, auch die Gruppen »B« und »C« aus dem Verkehr gezogen. Es gab
eine kleine Zahl von Einwanderern, die nicht ausfindig gemacht werden konnten. Die Annahme,
daß einige von ihnen Spione waren, bot sich an.
Ihre Daten waren in Bloggs’
Kartei festgehalten.
Die zweite Quelle war der Funkverkehr. Die Abteilung C des MI8
tastete in jeder Nacht die Frequenzen ab, zeichnete alles auf, was nicht mit Sicherheit
britischen Ursprungs war, und gab es an die Government Code and Cipher School weiter, ein
Institut für Codes und Geheimschriften, das von der Regierung eingerichtet worden
war. Diese Schule, die erst kürzlich von der Londoner Berkeley Street in ein Landhaus in
Bletchley Park verlegt worden war, konnte man eigentlich nicht als solche bezeichnen. Unter
ihrem Dach hatten sich Schachmeister, Musiker, Mathematiker und Kreuzworträtselfans
versammelt, die dem Glauben anhingen, daß jeder Code, den ein Mensch ersinnenkann, von einem anderen Menschen geknackt werden konnte. Alle im Vereinigten
Königreich gesendeten Funksprüche, die nicht von irgendeiner amtlichen Stelle ausgingen,
wurden als Botschaften von Spionen betrachtet.
Bloggs’ Kartei enthielt die
dechiffrierten Botschaften.
Schließlich
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