Die Nadel.
lange, steile, schmale Rampe, die
sich wie eine Brücke hoch über den Strand erhob. Lucy hätte Mühe gehabt, den Rollstuhl
nach oben zu bekommen, aber Tom schaffte es ohne sichtliche Anstrengung.
Das Haus
war perfekt.
Es war klein und grau und lag windgeschützt in einer Mulde. Alle
Holzteile waren frisch gestrichen, und ein wilder Rosenbusch wuchs neben der Treppe. Rauch
kräuselte aus dem Schornstein und wurde von der Brise weggeblasen. Die winzigen Fenster
blickten auf die Bucht hinaus.
Lucy sagte: »Ich finde es herrlich!«
Das
Haus war geputzt, gelüftet und frisch gestrichen worden; auf dem Steinfußboden lagen
dicke Teppiche. Das Haus hatte vier Zimmer: unten eine modernisierte Küche und ein
Wohnzimmer mit einem Steinkamin; oben zwei Schlafzimmer. Die eine Seite des Hauses war mit
Bedacht umgestaltet worden. Es gab neue Rohrleitungen, ein neues Badezimmer oben und unten
einen Küchenanbau.
Ihre Kleider hingen in den Schränken. Im Bad fanden sie
Handtücher und in der Küche Lebensmittel.
Tom sagte: »Ich möchte Ihnen in der
Scheune etwas zeigen.«
Es war ein Schuppen, keine Scheune. Er war hinter dem Haus
versteckt. Darin stand ein glänzender neuer Geländewagen.
»Mr. Rose sagt, daß er
extra umgebaut wurde, damit der junge Mr. Rose ihn fahren kann«, erklärte Tom. »Er hat
eine automatische Schaltung, der Gashebel und die Bremse werden mit der Hand bedient. Das
hat er gesagt.« Er schien die Worte wie ein Papagei zu wiederholen, als könne er sich
wenig unter einer Schaltung, einem Gashebel und einer Bremse vorstellen.
»Ist es
nicht klasse, David?« fragte Lucy.
»Toll. Aber wohin soll ich damit fahren?«
»Sie können mich jederzeit besuchen und mit mir eine Pfeife rauchen und einen Whisky
trinken«, sagte Tom. »Ich habe mich schon lange darauf gefreut, wieder Nachbarn zu
haben.«
»Vielen Dank«, meinte Lucy.
»Das hier ist der Generator«, sagte Tom, der sich umgedreht hatte und mit dem Finger darauf deutete. »Ich habe genauso einen. Hier kommt der Treibstoff rein. Er liefert Wechselstrom.«
»Das ist ungewöhnlich«, erwiderte David. »Kleine Generatoren liefern meist Gleichstrom.«
»Tja, ich weiß eigentlich nicht, was der Unterschied ist, aber das hier soll sicherer sein.«
»Stimmt. Hier würde Sie ein elektrischer Schlag nur durchs Zimmer werfen, aber Gleichstrom würde Sie umbringen.« Sie gingen zurück zum Haus.
»Na, Sie werden sich häuslich einrichten wollen, und ich muß mich um die Schafe kümmern«, sagte Tom. »Auf Wiedersehen also! Oh! Fast hätte ich’s vergessen: Bei einem Notfall können Sie mit dem Festland über Funk Verbindung aufnehmen.«
David war überrascht. »Sie haben einen Sender?«
»Ja«, antwortete Tom stolz. »Ich bin Feindbeobachter für das Königliche Flugmeldekorps.«
»Haben Sie schon mal einen entdeckt?« fragte David.
Lucys Augen blitzten bei dem Sarkasmus, der in Davids Stimme lag, mißbilligend auf, aber Tom schien nichts bemerkt zu haben. »Noch nicht«, entgegnete er.
»Na, dann auf jeden Fall viel Glück.«
Nachdem Tom fortgegangen war, meinte Lucy: »Er will eben auch etwas tun.«
»Es gibt viele in England, die auch etwas tun wollen «, gab David bitter zurück.
Und das, dachte Lucy, ist das Problem. Sie ließ das Thema fallen und schob den Rollstuhl, in dem ihr verkrüppelter Mann saß, in ihr neues Heim.
Als man Lucy gebeten hatte, die Krankenhauspsychologin aufzusuchen, hatte sie sofort angenommen, daß David einen Hirnschaden davongetragen habe. Sie hatte sich geirrt.
»Das einzige, was mit seinem Kopf nicht stimmt, ist eine schlimme
Prellung an der linken Schläfe«, hatte die Psychologin gesagt. »Der Verlust beider Beine
verursacht jedoch ein Trauma, und man kann noch nicht absehen, wie das seinen
Geisteszustand beeinflussen wird. Hat er sich sehr gewünscht, Pilot zu werden?«
Lucy überlegte. »Er hatte Angst, aber ich glaube, daß er es sich trotzdem sehr
gewünscht hat.«
»Er wird jeden Trost und jede Hilfe brauchen, die Sie ihm geben
können. Und Geduld natürlich. Wir können Ihnen jetzt schon sicher sagen, daß er für
eine Weile reizbar und schlecht gelaunt sein wird. Er braucht Liebe und Ruhe.«
Während der ersten Monate auf der Insel schien er jedoch weder das eine noch das andere
zu wollen. Er schlief nicht mit ihr, vielleicht weil er wartete, bis seine Verletzungen
voll ausgeheilt waren, doch er ruhte sich auch nicht aus. Er widmete sich
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