Die Nadel.
Sichel entstanden ist – mehr oder weniger
ein Strand.
Jeden Sommer lassen die Pflanzen auf der Spitze der Klippen eine
Handvoll Samen auf den Strand fallen, so wie ein reicher Mann Bettlern ein paar Groschen
zuwirft. Wenn der Winter milde ist und der Frühling nicht zu spät kommt, gelingt es
einigen Samen, auf dem Boden Halt zu finden und Wurzeln zu treiben. Aber sie haben nie
genug Kraft, um selbst zu blühen und ihre eigenen Samen zu verbreiten. Die Vegetation des
Strandes hängt also von Jahr zu Jahr von Almosen ab.
Auf dem eigentlichen Land, das
durch die Klippen dem Zugriff des Meeres entzogen ist, wächst und vermehrt sich
Grünzeug. Die Vegetation besteht vor allem aus einer dürftigen Grasnarbe, die gerade gut
genug ist, um die wenigen knochigen Schafe zu ernähren, aber fest genug, um die Bodenkrume
auf den Felsen der Insel zu verankern. Ein paar Dornensträucherdienen
den Kaninchen als Behausung, und eine mutige Gruppe von Koniferen steht am windgeschützten
Hang des Hügels am Ostende.
Das höher gelegene Land wird von Heidekraut
beherrscht. Alle paar Jahre steckt der Mann – ja, es gibt hier einen Mann – die Heide
in Brand, so daß Gras wächst und die Schafe auch hier grasen können. Nach ein oder zwei
Jahren kommt das Heidekraut jedoch wieder – Gott weiß, woher – und vertreibt die
Schafe, bis der Mann es wieder abbrennt.
Die Kaninchen sind hier, weil sie hier
geboren wurden, die Schafe sind hier, weil man sie hierhergebracht hat, der Mann ist hier,
um sich um die Schafe zu kümmern, doch die Vögel sind hier, weil es ihnen gefällt. Es
gibt Hunderttausende von ihnen: langbeinige Strandpieper, die piep piep piep pfeifen, während sie losfliegen, und pe-pe-pe-pe , wenn sie im Sturzflug sind
wie eine Spitfire, die aus der Sonne heraus eine Messerschmidt angreift; Wiesenknarren, die
der Mann selten zu Gesicht bekommt, von deren Anwesenheit er aber weiß, da ihr Krächzen
ihn nachts wachhält; Raben, Aaskrähen, Dreizehenmöwen und zahllose Seemöwen; dazu ein
Paar Goldadler, auf die der Mann schießt, wenn er sie sieht, denn er weiß , daß
sie lebende Lämmer schlagen und sich nicht mit Kadavern begnügen – da können ihm
Naturforscher und Biologen aus Edinburgh erzählen, was sie wollen.
Der
beständigste Besucher der Insel ist der Wind. Er kommt meist aus Nordost, von wirklich kalten Orten, wo es Fjorde, Gletscher und Eisberge gibt. Oft bringt er Schnee und
peitschenden Regen und kalten, kalten Nebel als unwillkommene Geschenke mit. Manchmal kommt
er aber auch mit leeren Händen, nur um einen Höllenlärm zu machen: Er heult und brüllt,
reißt Sträucher aus, knickt Bäume und peitscht den ungezügelten Ozean zu neuen
Ausbrüchen schaumgesprenkelter Wut auf. Unermüdlich ist er, dieser Wind, und das ist sein
Fehler. Wenn er nur hie und da käme, könnte er die Insel überraschen und wirkliche
Schäden anrichten. Da er aber immer nur heult und bläst, hat sich die Inselauf ihn eingestellt. Die Pflanzen graben sich mit ihren Wurzeln tief in
das Erdreich ein, die Kaninchen verstecken sich im untersten Dickicht, die Bäume wachsen
mit bereits gekrümmtem Stamm empor, um den Peitschenhieben des Windes zu trotzen, die
Vögel nisten auf windgeschützten Felsvorsprüngen, und das Haus des Mannes ist niedrig
und fest gemauert, erbaut mit dem Geschick, das von alters her mit dem Wind umzugehen
versteht.
Dieses Haus besteht aus großen grauen Steinen und grauen Schieferplatten,
grau wie die Farbe des Meeres. Es hat kleine Fenster, dicht schließende Türen und einen
gemauerten Schornstein. Es steht oben auf dem Hügel am Ostende der Insel, nicht weit von
dem zersplitterten Stumpf des zerbrochenen Spazierstocks. Es krönt den Hügel und trotzt
Wind und Regen, nicht aus Übermut, sondern damit der Mann nach den Schafen sehen kann.
Ein weiteres, ähnliches Haus steht zehn Meilen entfernt am gegenüberliegenden Ende der
Insel in einer Umgebung, die mehr oder weniger ein Strand ist. Vor einiger Zeit wohnte hier
noch ein Mann. Er glaubte, alles besser zu wissen als die Insel; deshalb wollte er Hafer
und Kartoffeln anbauen und ein paar Kühe halten. Er kämpfte drei Jahre mit dem Wind, der
Kälte und dem Boden, bevor er seinen Irrtum eingestand. Als er gegangen war, wollte
niemand sein Haus haben.
Die Insel ist unnachgiebig. Nur unnachgiebige Dinge können
hier überleben: harte Felsen, anspruchsloses Gras,
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