Die Nadel.
finden.
Im Frieden stellte die Armee ihre eigenen Wegweiser auf. Jetzt hatte sie
nicht nur ihre eigenen, sondern auch alle anderen Wegweiser entfernt.
Die einfachste
Lösung wäre, sich in ein Auto zu setzen und dem ersten besten Militärfahrzeug zu folgen,
bis es anhielt. Faber hatte jedoch kein Auto. Es war nahezu unmöglich für einenZivilisten, eines zu mieten; selbst wenn man eines bekommen konnte, war
dafür kein Benzin aufzutreiben. Außerdem lief ein Zivilist, der in der Gegnd herumfuhr,
Armeelastwagen folgte und sich Armeelager anschaute, Gefahr, verhaftet zu werden.
Deshalb hatte er sich das Boot besorgt.
Einige Jahre vor dem Verbot, Landkarten
zu verkaufen, hatte Faber entdeckt, daß Großbritannien Binnenwasserstraßen besaß, die
Tausende von Meilen lang waren. Das natürliche Flußnetz war während des 19. Jahrhunderts
durch ein Spinnengewebe von Kanälen erweitert worden. In manchen Gegenden gab es fast so
viele Wasserwege wie Straßen. Norfolk war ein Beispiel.
Das Boot hatte viele
Vorteile. Auf einer Straße mußte man ein Ziel haben; auf einem Fluß konnte man einfach
dahinsegeln. Man fiel auf, wenn man in einem geparkten Auto schlief; in einem vertäuten
Boot zu schlafen war normal. Der Wasserweg war menschenleer. Und wer hatte je von einer
Kanalsperre gehört?
Es gab auch Nachteile. Flugplätze und Kasernen müssen in der
Nähe von Straßen sein, nicht aber unbedingt an Flüssen. Faber mußte die Gegend bei
Nacht auskundschaften. Er ließ sein vertäutes Boot zurück und streifte im Mondlicht
über die Hügel. Es waren erschöpfende Rundgänge von vierzig Meilen, bei denen er das,
was er suchte, leicht verpassen konnte – wegen der Dunkelheit oder einfach, weil er nicht
genug Zeit hatte, jede Quadratmeile Land abzusuchen.
Wenn er ein oder zwei Stunden
nach dem Morgengrauen zurückkehrte, schlief er gewöhnlich bis zum Mittag und segelte dann
weiter, wobei er gelegentlich beidrehte, um auf einen nahe gelegenen Hügel zu klettern und
die Aussicht zu prüfen. An Schleusen, einsamen Farmhäusern und Pubs am Flußufer
unterhielt er sich mit Leuten in der Hoffnung, womöglich etwas über Truppen, die in der
Nähe lagen, zu erfahren. Bisher ohne Erfolg.
Faber begann sich zu fragen, ob er in
der richtigen Gegend sei. Er versuchte, sich in General Pattons Lage zu versetzen: Wenn ich
plante, von einem Standort in Ostengland aus inFrankreich östlich der
Seinemündung zu landen, wo würde ich meine Truppen stationieren? Norfolk kam in Frage:
ein weites, einsames Land, meistens flach, weshalb es sich für Flugzeuge eignete. Es lag
außerdem nahe am Meer, so daß man schnell losschlagen konnte. Und The Wash war
außerdem ein natürlicher Ort, um eine Flotte zu sammeln. Seine Vermutungen mochten jedoch
aus Gründen, die er nicht kannte, unzutreffend sein. Bald würde er sich überlegen
müssen, ob er schnell über Land ein neues Gebiet aufsuchen sollte: vielleicht das
Fenn.
Eine Schleuse tauchte vor ihm auf; er holte die Segel ein, wurde langsamer,
glitt sanft in die Schleuse und stieß leicht an die Tore. Das Haus des Schleusenwärters
stand am Ufer. Faber legte seine Hände trichterförmig um den Mund und rief: »Hallo!«
Dann wartete er. Er hatte gelernt, daß Schleusenwärter zu der Sorte Mensch gehörten, die
sich nicht hetzen ließen. Überdies war Teezeit; da waren sie fast zu nichts zu
bewegen.
Eine Frau trat vor die Haustür und winkte ihm zu. Faber winkte zurück,
sprang ans Ufer, vertäute das Boot und ging ins Haus. Der Schleusenwärter saß in
Hemdsärmeln am Küchentisch und sagte: »Sie haben’s doch nicht eilig?«
Faber
lächelte. »Überhaupt nicht.«
»Gieß ihm eine Tasse Tee ein, Mavis.«
»Nicht nötig«, sagte Faber höflich.
»Keine Sorge, wir haben gerade eine
Kanne aufgeschüttet.«
»Vielen Dank.« Faber setzte sich. Die kleine Küche war
luftig und sauber, und sein Tee wurde ihm in einer hübschen Porzellantasse serviert.
»Angelurlaub?« fragte der Schleusenwärter.
»Angeln und Vögel beobachten«,
antwortete Faber. »Ich möchte bald irgendwo anlegen und ein paar Tage an Land
verbringen.«
»Ach so. Dann bleiben Sie am besten auf der anderen Seite des
Kanals. Auf dieser Seite ist Sperrgebiet.«
»Wirklich? Ich wußte nicht, daß es in
dieser Gegend Armeegelände gibt.«
»Doch, es fängt ungefähr eine Meile von hier an. Ob’s die Armee ist, weiß ich nicht. Das hat
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