Die Nadel.
bestand darin, sie schon am Strand anzugreifen und zu vernichten, während sie
die Landungsboote verließen.
Wenn die Deutschen an der falschen Stelle warteten,
wäre auch diese eine Chance vertan.
Die ganze Strategie wurde mit einemmal
deutlich. Sie war einfach und von verheerender Wirkung.
Faber mußte Hamburg
benachrichtigen.
Er fragte sich, ob man ihm glauben würde.
Kriegsstrategien
werden selten auf das Wort eines einzigen Mannes hin geändert. Sein Ansehen war
außergewöhnlich groß, aber war es so groß?
Von Braun, dieser Idiot,
würde ihm nie glauben. Er haßteFaber seit Jahren und würde jede
Gelegenheit ergreifen, ihn zu diskreditieren. Canaris, von Roenne . . . er hatte kein
Vertrauen in diese Leute.
Und dann war da noch was: der Funkweg. Er traute sich
nicht, diese Meldung per Funk zu übermitteln; seit Wochen hatte er das Gefühl, daß der
Funkcode nicht mehr sicher war. Wenn die Briten herausfanden, daß ihr Geheimnis aufgedeckt
war . . .
Es gab nur eine Lösung: Er mußte Beweise sammeln und sie selbst nach
Berlin bringen.
Er brauchte Photos.
Zunächst würde er Bilder von dieser
gigantischen Scheinarmee machen, dann nach Schottland fahren, sich von dem U-Boot
aufnehmen lassen und die Bilder persönlich dem Führer übergeben. Mehr konnte er nicht
tun. Und nicht weniger.
Um photographieren zu können, brauchte er Licht. Er würde
bis zum Morgengrauen warten müssen. Auf seinem Weg hierher hatte er eine verfallene
Scheune bemerkt; dort konnte er den Rest der Nacht verbringen.
Er orientierte sich
an seinem Kompaß und machte sich auf. Die Scheune war weiter entfernt, als er gedacht
hatte, und er brauchte eine Stunde, um sie zu erreichen. Es war ein alter Holzbau mit
Löchern im Dach. Die Ratten hatten sie schon längst verlassen, da sie nichts mehr zu
fressen fanden, aber auf dem Heuboden hingen Fledermäuse.
Faber legte sich auf ein
paar Bretter, konnte jedoch nicht schlafen, da er ständig daran denken mußte, daß er
allein imstande war, den Verlauf des größten Krieges der Geschichte zu ändern.
Sonnenaufgang war um 5.21 Uhr. Um 4.20 Uhr verließ Faber die
Scheune.
Obwohl er nicht hatte schlafen können, hatten die zwei Stunden Ruhe
gereicht, ihn körperlich und geistig zu erfrischen; er war jetzt in bester Stimmung. Der
Westwind vertrieb die Wolken,der Mond war untergegangen, aber Sterne
blinkten am Himmel.
Faber hatte die Zeit gut abgepaßt. Der Himmel wurde merklich
heller, als er in Sichtweite des »Flugplatzes« kam.
Die Posten waren immer noch in
ihrem Zelt. Wenn er Glück hatte, schliefen sie noch. Faber wußte aus eigener Erfahrung,
daß es beim Wacheschieben am schwersten ist, die letzten Stunden durchzuhalten.
Und
wenn sie herauskämen, würde er sie eben töten müssen.
Er suchte sich eine
geeignete Stelle aus und legte in die Leica einen 35-mm-Agfa-Film mit 36 Bildern und
kurzer Belichtungszeit ein. Er hoffte, daß die lichtempfindliche Beschichtung nicht
gelitten hatte, denn er hatte den Film schon vor Kriegsbeginn in seinem Koffer verstaut. In
Großbritannien konnte man zur Zeit keine Filme kaufen. An sich müßte er in Ordnung sein;
denn Faber hatte ihn in einem lichtundurchlässigen Beutel aufbewahrt und vor Hitze
geschützt.
Als sich der rote Rand der Sonne langsam über den Horizont schob,
begann er mit den Aufnahmen. Er machte eine Reihe von Bildern aus verschiedenen Winkeln und
Entfernungen und beschloß die Serie mit einer Nahaufnahme von einer der Flugzeugattrappen:
Die Bilder würden sowohl den Schein als auch die Wirklichkeit zeigen.
Während er
die letzte Aufnahme machte, bemerkte Faber aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Er ließ
sich flach auf die Erde fallen und kroch unter eine Moskito aus Sperrholz. Ein Soldat
tauchte aus dem Zelt auf, ging ein paar Schritte und pinkelte auf den Boden. Der Mann
streckte sich, gähnte und zündete sich eine Zigarette an. Er warf einen Blick über den
Flugplatz, fröstelte und kehrte zum Zelt zurück.
Faber stand auf und lief
los.
Nach einer Viertelmeile schaute er sich um. Der Flugplatz war außer Sicht. Er
hielt sich westlich, Richtung »Kaserne«.
Dies würde mehr sein als ein
gewöhnlicher Spionagecoup.Sein ganzes Leben lang hatte Hitler immer die
richtigen Ahnungen gehabt. Der Mann, der den Beweis erbrachte, daß der Führer wieder
einmal recht hatte und alle Experten sich irrten, würde nicht mit einem
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