Die Nadel.
Furchen wuchs neues Gras: Offensichtlich war er in letzter Zeit nicht
oft benutzt worden.
Es war, als habe jemand beschlossen, hier zehntausend Mann
unterzubringen, und dann seine Absicht ein paar Wochen nach Beginn der Bauarbeiten
geändert.
Aber irgend etwas wollte nicht so recht zu dieser Erklärung passen.
Faber strich leise umher, immer auf der Hut, falls es den Posten in den Kopf kam, einen
Rundgang zu machen. In der Mitte des Lagers stand eine Gruppe von Militärfahrzeugen. Sie
waren alt und rostig und ausgeschlachtet – keines hatte einen Motor oder irgendwelche
Innenteile. Doch wenn man schon veraltete Fahrzeuge ausschlachtet, verschrottet man dann
nicht auch die Karosserien?
Die Hütten, die eine Wand besaßen, standen in der
äußersten Reihe, und ihre Wände blickten in Richtung Zaun. Es war wie eine Filmkulisse,
nicht wie ein Bauplatz.
Faber meinte, alles erfahren zu haben, was er hier erfahren
konnte. Er ging zum Ostrand des Lagers, ließ sich auf Hände und Knie fallen und kroch
davon, bis er hinter einer Hecke außer Sicht war. Eine halbe Meile weiter, kurz vor der
Kuppe eines Hügels, schaute er sich um. Nun sah es wieder genau wie eine Kaserne aus.
Es gab da eine Erklärung für das alles. Die Idee war aber noch zu vage, brauchte noch
Zeit.
Fünf Meilen weiter sah er den Flugplatz.
Dort standen mehr
Flugzeuge, als er der gesamten Royal Air Force zugetraut hätte: Pathfinders zum Abwerfen
von Christbäumen, Lancasters und amerikanische B-17 für Zermürbungsangriffe, Hurricanes
und Spitfires und Moskitos für Aufklärungs- und Tiefflüge – genug Maschinen für eine
Invasion.
Ihre Fahrgestelle waren ausnahmslos in die weiche Erde eingesunken, und
sie standen bis zum Rumpf im Schlamm. Wieder fehlten Lichter und Geräusche.
Faber
tat das gleiche wie vorher; er kroch flach auf die Flugzeuge zu, bis er die Posten
ausgemacht hatte. In der Mitte des Flugplatzes stand ein kleines Zelt. Das schwache Glühen
einer Lampe drang durch die Zeltwand. Zwei Männer waren dort, vielleicht drei.
Als
Faber sich den Maschinen näherte, schienen sie flacher zu werden, als seien sie alle
zusammengedrückt worden.
Er erreichte die erste und berührte sie verblüfft. Es
war ein Stück Sperrholz von einem halben Zoll Dicke, das wie der Umriß einer Spitfire
ausgesägt, mit Tarnfarbe angestrichen und mit Seilen am Boden befestigt worden war.
Alle anderen Flugzeuge waren von derselben Art.
Es standen mehr als tausend davon
herum.
Faber erhob sich. Er beobachtete das Zelt aus den Augenwinkeln, bereit, sich
bei der geringsten Bewegung zu Boden fallen zu lassen. Er schlich um den ganzen
nachgemachten Flugplatz herum, betrachtete die nachgemachten Kampfflugzeuge und Bomber und
brachte sie mit der kulissenartigen Kaserne in Verbindung. Bei dem Gedanken an die
Folgerungen aus dem, was er gefunden hatte, wurde ihm schwindelig.
Er wußte, daß
er weitere Flugplätze wie diesen, weitere halbfertige Kasernen finden würde, wenn er
seine Nachforschungen fortsetzte. So würde er im Wash gewiß auf eine Flotte aus Sperr-
holz- Zerstörern und - Truppentransportern stoßen.
Es war ein gewaltiger,
sorgfältig geplanter, kostspieliger, ungeheuerlicher Trick .
Natürlich konnte dies alles einer näheren Beobachtung nie und nimmer
standhalten. Aber diese Anlagen waren nicht dazu gedacht, einen Beobachter am Boden
irrezuführen.
Die deutsche Luftaufklärung sollte getäuscht werden!
Sogar
ein niedrig fliegendes Flugzeug, das mit den modernsten Kameras und den hochempfindlichsten
Filmen ausgerüstet war, würde mit Bildern zurückkommen, die unbestreitbar eine enorme
Konzentration von Mannschaften und Maschinen zeigten.
Kein Wunder, daß das OKW mit
einer Landung östlich der Seine rechnete.
Es stand zu vermuten, daß das
Täuschungsmanöver noch durch andere Maßnahmen unterstützt wurde. Die Briten würden
sich im Funkverkehr auf FUSAG beziehen und dabei Codes benutzen, die, wie sie wußten,
gebrochen waren. Gefälschte Spionageberichte würden durch die portugiesische
Diplomatenpost nach Hamburg geschleust werden. Es gab zahllose Möglichkeiten.
Die
Briten hatten vier Jahre Zeit gehabt, für diese Invasion aufzurüsten. Der größte Teil
der Deutschen Wehrmacht kämpfte in Rußland. Wenn die Alliierten einmal auf französischem
Boden Fuß faßten, würden sie nicht mehr aufzuhalten sein. Die einzige Chance der
Deutschen
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