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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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er eine ganze Gallone ausgetrunken.
    »Mr. Faber war ein ruhiger
     Typ«, sagte Parkin. »Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Na ja, die Hauswirtin sah nicht
     schlecht aus. Und sie brauchte es. Vielleicht hätte ich sie selbst haben können, wenn ich
     gewußt hätte, wie man’s anstellt. Aber ich war erst – achtzehn.«
    Sie aßen Brot
     und Käse, und Parkin verputzte ein Dutzend eingelegter Zwiebeln. Auf dem Rückweg blieben sie
     vor dem Haus stehen, während Parkin eine weitere Zigarette rauchte. »Wissen Sie«, fuhr er
     fort, »er war ein ziemlich großer Bursche, gutaussehend, höflich. Wir dachten alle, daß er
     nichts Besonderes sei, weil seine Kleidung ärmlich war, weil er mit einem Fahrrad fuhr und
     kein Geld hatte. Vielleicht war das aber auch nur raffinierte Tarnung?« Seine Augenbrauen
     waren fragend hochgezogen.
    »Vielleicht«, sagte Bloggs.
    An jenem Nachmittag fand Parkin nicht nur ein Bild von Faber, sondern
     deren drei.
    Eines davon war erst neun Jahre alt.
    Und Mr. Midwinter hatte das
     Negativ.
    Heinrich Rudolf Hans von Müller-Guder (»Wir wollen
     ihn einfach Faber nennen«, sagte Godliman lachend) wurde am 26. Mai 1900 in dem Dorf Oln
     in Westpreußen geboren. Die Familie seines Vaters besaß seit Generationen in der Gegend
     ausgedehnte Güter. Sein Vater war der zweite Sohn, ebenso wie Heinrich. Alle
     zweitältesten Söhne wurden Heeresoffiziere. Seine Mutter, die Tochter eines hohen Beamten
     im wilhelminischen Kaiserreich, wurde dazu geboren und erzogen, einen Adeligen zu heiraten
     – was sie auch tat.
    Im Alter von dreizehn Jahren besuchte Heinrich die
     Kadettenanstalt in Karlsruhe; zwei Jahre später wurde er in die Hauptkadettenanstalt
     Groß-Lichterfelde bei Berlin geschickt. Beides waren Anstalten, in denen es streng
     zuging, in denen mit Rohrstöcken, kalten Bädern und schlechtem Essen den Kadetten
     militärische Zucht beigebracht wurde. Heinrich lernte trotzdem Englisch und Französisch
     und beschäftigte sich mit Geschichte; er legte die Reifeprüfung mit den besten Noten ab,
     die seit der Jahrhundertwende vergeben worden waren. Nur drei weitere Punkte in seiner
     Schullaufbahn sind noch erwähnenswert: In einem bitterkalten Winter widersetzte er sich
     den Vorschriften, schlich bei Nacht und Nebel aus der Schule und ging über zweihundert
     Kilometer zu Fuß, bis er bei seiner Tante war. Seinem Ringkampflehrer brach er den Arm
     beim Training. Und er wurde wegen Ungehorsam gezüchtigt.
    Im Jahre 1920 diente er
     kurz als Fähnrich in der entmilitarisierten Zone, in Friedrichsfeld bei Wesel; er
     absolvierte 1921 pro forma einen Offizierslehrgang an der Kavallerie-Schule in Hannover
     und erhielt 1922 sein Leutnantspatent.
    In den nächsten Jahren übernahm er
     kurzfristig ein halbes Dutzend verschiedener Posten, wie es für jemanden üblich ist,der einmal Generalstabsoffizier werden soll. Er zeichnete sich weiterhin als
     Sportler aus, wobei er sich auf Langstreckenlauf verlegte. Er hatte keine engen Freunde,
     war nie verheiratet und zeigte keine Neigungen, mit der NSDAP zu sympathisieren.
    Seine nächste Beförderung verzögerte sich wegen eines Vorfalls. Es wurde nie ganz
     klar, worum es tatsächlich ging, aber es scheint, als habe die Tochter eines
     Oberstleutnants aus dem Kriegsministerium, die schwanger geworden war, dabei eine Rolle
     gespielt. 1928 war Faber dann Oberleutnant. Seine Gewohnheit, mit höheren Offizieren wie
     mit Gleichrangigen zu reden, wurde als verzeihlich akzeptiert, da er nicht nur ein
     aufstrebender junger Offizier, sondern auch ein preußischer Adeliger war.
    In den
     späten zwanziger Jahren freundete sich Admiral Wilhelm Canaris mit Heinrichs Onkel Otto,
     dem älteren Bruder seines Vaters, an und verbrachte einige Male seinen Urlaub auf dem
     Familiengut in Oln. Im Jahre 1931 war Adolf Hitler, damals noch nicht deutscher Kanzler,
     dort zu Gast. 1933 wurde Heinrich zum Hauptmann befördert und zur besonderen Verwendung
     nach Berlin beordert. Aus dieser Zeit stammte die letzte Photographie von ihm.
    Dann
     schien er, zumindest nach den allgemein zugänglichen Quellen, plötzlich nicht mehr zu
     existieren.
    »Wir können uns den Rest leicht
     zusammenreimen«, sagte Percival Godliman. »Die Abwehr bildet ihn im Funken, im Ver- und
     Entschlüsseln von Codes, in Kartographie, Einbruch, Erpressung, Sabotage und im lautlosen
     Töten von Menschen aus. Er kommt etwa 1937 nach London und hat ausreichend Zeit, um sich
     eine

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