Die Nadel.
mir keiner gesagt.«
»Wahrscheinlich brauchen wir’s nicht zu wissen.«
»Ja. Wenn Sie ausgetrunken haben, lasse ich Sie durch die Schleuse. Und danke, daß ich meinen Tee in Ruhe austrinken durfte.«
Sie verließen das Haus, Faber stieg ins Boot und band es los. Die Tore hinter ihm schlossen sich langsam, dann ließ der Wärter das Wasser ab. Das Boot sank allmählich mit dem Wasserspiegel in der Schleuse, danach öffnete sich das Vordertor.
Faber setzte Segel und fuhr hinaus. Der Schleusenwärter winkte ihm nach.
Nach etwa vier Meilen hielt er wieder an und vertäute das Boot an einem kräftigen Baum am Ufer. Während er auf den Anbruch der Nacht wartete, machte er sich ein Abendessen mit Wurstbrät aus der Dose, trockenen Keksen und einer Flasche Wasser. Er zog seine schwarze Kleidung an, legte seinen Feldstecher, seine Kamera und ein Exemplar von Seltene Vögel Ostenglands in eine Umhängetasche, steckte seinen Kompaß ein und nahm seine Taschenlampe. Er war bereit.
Faber löschte die Sturmlaterne, schloß die Kabinentür ab und sprang ans Ufer. Nachdem er im Licht der Taschenlampe auf seinen Kompaß gesehen hatte, betrat er den Waldgürtel, der am Kanal entlanglief. Er ging von seinem Boot aus ungefähr eine halbe Meile genau südlich, bis er auf einen Zaun traf. Es war ein Maschendrahtzaun, sechs Fuß hoch, der oben mit Stacheldraht gesichert war. Er zog sich in den Wald zurück und kletterte auf einen hohen Baum.
Der Himmel war leicht bewölkt. Ab und zu trat der Mond hervor. Hinter dem Zaun lag offenes Gelände, eine sanfte Anhöhe. Für Faber nichts Neues. Er hatte so etwas schon bei Biggin Hill in Aldershot und bei einer Unzahl von Militärgebieten in ganz Südengland gesehen. Das Gebiet war doppelt gesichert: eine Fußstreife, die am Zaun entlang ging, und bei den Anlagen Wachtposten, die sich nicht von der Stelle rühren durften.
Beide konnten mit Geduld und Vorsicht umgangen werden.
Faber kletterte vom Baum herunter und kehrte zu dem Zaun zurück. Er versteckte sich hinter einem Busch und wartete.
Er mußte wissen, wann die Patrouille an dieser Stelle vorbeikam. Wenn er Glück hatte, bald. Von der Größe des Geländes her zu urteilen, das er einsehen konnte, würde die Patrouille nachts nur einmal eine Runde um den ganzen Zaun schaffen.
Er hatte Glück. Kurz nach 22 Uhr hörte er Stiefeltritte, und drei Männer marschierten an der Innenseite des Zaunes vorbei.
Fünf Minuten später kletterte Faber über den Zaun.
Er benutzte seine Taschenlampe nicht, hielt sich, wenn er konnte, möglichst eng an Hecken und Bäume und vermied Erhebungen, wo man ihn leicht hätte ausmachen können, wenn der Mond plötzlich hinter den Wolken hervorkäme. Die karge Landschaft wirkte wie ein abstraktes Gemälde in Schwarz, Grau und Silber. Der Boden unter seinen Füßen war etwas aufgeweicht, als ob es Sümpfe in der Nähe gäbe. Ein Fuchs rannte über das Feld vor ihm, so schnell wie ein Windhund und so anmutig wie eine Katze.
Es war 23.30 Uhr, als er auf die ersten Anzeichen militärischer Aktivität stieß – höchst seltsame Anzeichen.
Der Mond trat hervor, und er sah, vielleicht eine Viertelmeile vor sich, mehrere Reihen eingeschossiger Gebäude, die der Bauweise nach Militärbaracken sein mußten.
Er ließ sich sofort zu Boden fallen. Zugleich kamen ihm bereits Zweifel an dem, was er gesehen hatte. War das echt? Es gab weder Lichter noch Geräusche.
Er lag zehn Minuten still da, um abzuwarten, ob sich das Rätsel lösen würde. Aber nichts geschah, außer daß ein Dachs dahergetapert kam, ihn sah und sich wieder davonmachte.
Faber kroch weiter.
Als er näher kam, merkte er, daß die Militärbaracken nicht nur unbewohnt, sondern auch unfertig waren. Die meisten von ihnen bestanden aus kaum mehr als einem Dach, das auf Eckpfosten ruhte. Manche besaßen nur eine einzige Wand.
Ein plötzliches Geräusch. Er blieb stehen: ein Mann lachte. Faber lag
still und beobachtete. Ein Streichholz flammte kurz auf, verlöschte und hinterließ zwei
glühende rote Punkte in einer der unfertigen Hütten: Wachtposten.
Faber berührte
das Stilett in seinem Ärmel und kroch weiter, von den Posten weg in Richtung auf die
andere Seite des Lagers.
Die halbfertigen Baracken hatten keinen Fußboden und kein
Fundament. Es standen keine Baufahrzeuge herum, keine Schubkarren, Betonmischmaschinen,
Schaufeln oder Haufen von Ziegelsteinen. Ein Schlammpfad führte vom Lager aus über die
Felder, doch in den
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