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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Kopfschmerzen. Einen Moment lang war er erleichtert darüber, daß es nur ein Traum gewesen
     war, dann amüsierte er sich über die alberne Symbolik – Hakenkreuzsocken, du lieber
     Himmel!
    Ein Mann in einem Arbeitsanzug neben ihm sagte: »Sie haben gut
     geschlafen.«
    Faber blickte jäh auf. Er hatte immer Angst davor, im Schlaf zu reden
     und sich zu verraten. »Ich habe schlecht geträumt.« Der Mann schwieg.
    Es wurde
     dunkel. Er hatte wirklich lange geschlafen. Das Licht – eine einzige blaue Birne – ging
     plötzlich an, und jemand zog die Rouleaus herunter. Die Gesichter der Menschen wurden zu
     bleichen, ausdruckslosen Ovalen. Der Arbeiter wurde wieder gesprächig. »Sie haben das
     Aufregendste verpaßt«, sagte er.
    Faber runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
     Es war unmöglich, daß er irgendeine Polizeikontrolle verschlafen hatte.
    »So’n
     Yankeezug ist vorbeigefahren. Ungefähr zehn Meilen schnell, ein Nigger saß im
     Führerstand und bimmelte mit der Glocke, und vorne dran ein riesiger Schienenräumer! Wie
     im Wilden Westen.«
    Faber lächelte und dachte wieder an seinen Traum. In
     Wirklichkeit hatte es bei seiner Ankunft in London keine Zwischenfälle gegeben. Er hatte
     zunächst ein Hotelzimmer genommen, wobei er immer noch seine belgische Identität
     benutzte.Innerhalb einer Woche hatte er mehrere Landfriedhöfe besucht,
     die Namen von Männern seines Alters von den Grabsteinen abgeschrieben und drei Abschriften
     von Geburtsurkunden beantragt. Dann hatte er sich ein Zimmer genommen und mit Hilfe von
     gefälschten Empfehlungen einer nicht existierenden Firma in Manchester eine bescheidene
     Anstellung gefunden. Er hatte sich sogar vor dem Krieg in das Wählerverzeichnis von
     Highgate eintragen lassen und für die Konservativen gestimmt. Als die Rationierung begann,
     waren die Lebensmittelhefte über die Hausbesitzer an jeden verteilt worden, der zu einem
     bestimmten Zeitpunkt im Haus übernachtet hatte. Faber hatte es geschafft, einen Teil jener
     Nacht in drei verschiedenen Häusern zu verbringen und so Papiere für jede seiner
     Identitäten zu bekommen. Er hatte den belgischen Paß verbrannt – für den
     unwahrscheinlichen Fall, daß er einen Paß brauchte, konnte er sich drei britische
     zulegen.
    Der Zug hielt an. Der Lärm auf dem Bahnsteig verriet den Passagieren, daß
     sie am Ziel waren. Als Faber ausstieg, merkte er, wie hungrig und durstig er war. Er hatte
     den ganzen Tag noch nichts gegessen. Er ging durch die Sperre und fand die
     Bahnhofsgaststätte. Sie war voll von Menschen, meist Soldaten, die an den Tischen
     schliefen oder zu schlafen versuchten. Faber bestellte ein Käsebrot und eine Tasse
     Tee.
    »Essen gibt es nur für Soldaten«, sagte die Frau hinter dem Tresen.
    »Dann eben nur Tee.«
    »Haben Sie ’ne Tasse?«
    Faber war
     überrascht. »Nein.«
    »Wir auch nicht, mein Bester.«
    Faber überlegte, ob
     er im Great Eastern Hotel essen sollte, aber das würde Zeit kosten. Er fand einen Pub,
     trank zwei Halbe Dünnbier, kaufte dann eine Tüte Pommes frites in einer Fischbraterei und
     aß sie, auf dem Bürgersteig stehend, aus dem Zeitungspapier, in das sie eingewickelt
     waren. Er war überrascht, wie satt er davon wurde.
    Nun mußte er eine Drogerie finden und dort einbrechen. Er wollte seinen
     Film entwickeln, sicher sein, daß die Bilder gut geworden waren. Er hatte nicht die
     Absicht, womöglich mit einem Film, auf dem nichts zu sehen war, nach Deutschland
     zurückzukehren. Wenn die Bilder nichts geworden waren, würde er einen neuen Film stehlen
     und nochmals Aufnahmen machen müssen. Der Gedanke war unerträglich.
    Es mußte ein
     Einzelgeschäft sein, nicht Teil einer Ladenkette, wo Filme zum Entwickeln in ein
     Zentrallabor gebracht wurden. Das Geschäft mußte in einer Gegend liegen, in der die
     Bewohner sich Kameras leisten konnten (oder vor dem Krieg hätten leisten können). Der
     Teil von Ostlondon, in dem die Liverpool Street Station lag, kam nicht in Frage. Er
     beschloß, sich nach Bloomsbury aufzumachen.
    Die vom Mondlicht beschienenen Straßen
     waren still. Bis jetzt hatte es heute abend noch keinen Alarm gegeben. Zwei
     Militärpolizisten hielten ihn in der Chancery Lane an und verlangten seine
     Kennkarte. Faber tat so, als sei er leicht angetrunken, und die Polizisten fragten nicht,
     was er auf der Straße zu suchen habe.
    Er fand das Geschäft, das er gesucht hatte,
     am Nordende der Southampton Row. Im Fenster hing

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