Die Nadel.
ein Kodak-Schild. Erstaunlicherweise war
der Laden geöffnet. Er trat ein.
Ein gebeugter, mürrischer Mann mit dünnem Haar
und Brille stand hinter dem Ladentisch. Er trug einen weißen Kittel. Der Mann sagte: »Um
diese Zeit lösen wir nur Rezepte ein. Kein Verkauf.«
»Schon gut. Ich wollte nur
fragen, ob Sie Photos entwickeln.«
»Ja, wenn Sie morgen wiederkommen.«
»Sie entwickeln sie doch hier?« fragte Faber. »Ich brauche sie nämlich
schnell.«
»Ja, wenn Sie morgen wiederkommen – «
»Könnte ich die
Abzüge am selben Tag haben? Mein Bruder hat Heimaturlaub, und er möchte ein paar
mitnehmen – «
»Schneller als 24 Stunden geht’s nicht. Kommen Sie morgen
wieder.«
»Danke, das werde ich tun«, log Faber. Beim Hinausgehen bemerkte er,
daß das Geschäft in zehn Minuten schließen würde. Er überquerte die Straße und blieb
wartend in einer dunklen Ecke stehen.
Genau um 21 Uhr kam der Drogist heraus,
schloß die Tür hinter sich und ging die Straße hinunter. Faber nahm die entgegengesetzte
Richtung und bog um zwei Ecken.
Es schien keinen Zugang zum hinteren Teil des
Geschäfts zu geben. Das war ein Problem: Faber wollte nicht vorn einbrechen, damit nicht
möglicherweise die unverschlossene Tür von einem Polizisten auf Streife entdeckt wurde,
während er im Geschäft war. Er suchte in der Parallelstraße nach einem Durchgang.
Er ging die Parallelstraße entlang, um einen Durchlaß zu finden. Offensichtlich war da
keiner. Aber es mußte doch eine Möglichkeit an der Rückseite geben, weil die beiden
Straßen zu weit auseinander lagen, als daß die Häuser einen Verbund hätten bilden
können.
Schließlich kam er zu einem großen alten Haus, dem Schild nach das
Studentenwohnheim eines nahegelegenen Colleges. Die Vordertür war offen. Faber trat ein
und ging schnell bis zu einer Gemeinschaftsküche. Ein Mädchen saß allein am Tisch, trank
Kaffee und las ein Buch. Faber murmelte: »College-Luftschutz.« Sie nickte nur und wandte
sich wieder ihrem Buch zu. Faber ging durch die Hintertür hinaus.
Er durchquerte
einen Hof, stieß unterwegs gegen mehrere Abfalleimer und fand eine Tür zu einem schmalen
Weg. Sekunden später war er am Hinterausgang der Drogerie, der offenbar nie benutzt
wurde. Er kletterte über ein paar Reifen und eine alte Matratze und warf sich mit der
Schulter gegen die Tür. Das verfaulte Holz gab sofort nach, und Faber war im Haus.
Er fand die Dunkelkammer und schloß sich ein. Der Lichtschalter ließ eine trübe rote
Lampe an der Decke aufglühen. DieKammer war recht gut ausgerüstet:
säuberlich etikettierte Flaschen mit Entwicklerflüssigkeit und Fixiermittel, ein
Vergrößerungsgerät und sogar ein Trockner für die Abzüge.
Faber arbeitete
rasch, aber sorgfältig. Er stellte die Temperatur der Bäder genau ein, verrührte die
Flüssigkeiten, um den Film gleichmäßig zu entwickeln, und maß die Entwicklungszeit mit
Hilfe einer großen elektrischen Uhr an der Wand.
Die Negative waren gestochen
scharf.
Er ließ sie trocknen, gab sie dann in das Vergrößerungsgerät und machte
einen kompletten Satz von etwa 25 x 20 Zentimeter großen Abzügen. Er war in Hochstimmung,
als er sah, wie die Bilder allmählich im Entwicklerbad Konturen annahmen. Er hatte
wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet!
Nun mußte eine wichtige Entscheidung
getroffen werden.
Das Problem hatte ihn schon den ganzen Tag über beschäftigt. Da
die Bilder fertig waren, konnte er ihm nicht mehr ausweichen.
Was wäre, wenn er es
nicht schaffte, nach Hause zu kommen?
Der vor ihm liegende Weg war, gelinde
ausgedrückt, voller Unwägbarkeiten. Was ihn selbst anging, so war er zwar davon
überzeugt, daß er ungeachtet der Reisebeschränkungen und trotz der Küstenwache den
Treffpunkt erreichen würde. Aber er konnte nicht dafür garantieren, daß das U-Boot dort
sein oder heil durch die Nordsee zurückgelangen würde. Natürlich war es auch möglich,
daß er auf die Straße ging und von einem Bus überfahren wurde.
Die Aussicht, daß
er, nachdem er das größte Geheimnis des Krieges entdeckt hatte, sterben könnte und sein
Geheimnis mit ins Grab nehmen würde, war zu schrecklich, um auch nur erwogen zu
werden.
Er brauchte eine doppelte Absicherung, damit die Fotos, die das alliierte
Täuschungsmanöver entlarvten, im Falle eines Falles dennoch die Abwehr erreichten. Also
mußte er nach Hamburg
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