Die Nadel.
fallen.
Was aber sollte er mit dem Boot machen? Das beste
wäre, es zu versenken. Dabei könnte man ihn aber entdecken. Wenn er es in irgendeinem
Hafen zurückließ oder es einfach am Ufer des Kanals vertäute, würde es die Polizei um
so schneller mit den Morden in Verbindung bringen. Und außerdem würde das die Richtung
verraten, in die er sich absetzte. Er schob die Entscheidung auf.
Dummerweise wußte er nicht genau, wo er war. Auf seiner Karte der englischen Wasserstraßen war jede Brücke, jeder Hafen und jede Schleuse verzeichnet, aber sie gab keinen Aufschluß über Eisenbahnlinien. Er schätzte, daß er mit einem Fußmarsch von ein oder zwei Stunden ein halbes Dutzend Dörfer erreichen könnte, doch ein Dorf mußte nicht unbedingt einen Bahnhof haben.
Am Ende löste das Glück zwei Probleme auf einen Schlag: Der Kanal führte unter einer Eisenbahnbrücke hindurch.
Faber nahm seinen Kompaß, den Film aus der Kamera, seine Brieftasche und sein Stilett. Der Rest seiner Habe würde mit dem Boot versinken.
Der Treidelpfad war auf beiden Seiten von Bäumen beschattet, und es gab keine Straßen in der Nähe. Er rollte die Segel zusammen, montierte den Mast am Fuß ab und legte ihn auf das Deck. Dann zog er den Stöpsel des Spundlochs aus dem Kiel und trat ans Ufer, wobei er das Tau festhielt.
Das Boot füllte sich allmählich mit Wasser und trieb unter die Brücke. Faber zerrte an dem Tau, um es genau unter dem Brückenbogen untergehen zu lassen. Das Achterdeck versank zuerst, der Bug folgte, und schließlich schlug das Wasser des Kanals über dem Dach der Kabine zusammen. Ein paar Luftblasen stiegen hoch, das war alles. Der Umriß des Bootes wurde vor einem flüchtigen Blick durch den Schatten der Brücke verdeckt. Faber warf auch das Tau ins Wasser.
Die Eisenbahnlinie verlief von Nordosten nach Südwesten. Faber kletterte auf den Damm und ging nach Südwesten, in die Richtung, wo London lag. Die Strecke war zweigleisig, wahrscheinlich eine ländliche Nebenlinie. Es würden nur wenige Züge verkehren, aber sie würden an allen Bahnhöfen halten.
Die Sonne wurde wärmer, während er dahinwanderte, und die Anstrengung brachte ihn zum Schwitzen. Nachdem er seine blutbefleckte Kleidung vergraben hatte, hatte er einen zweireihigen Blazer und schwere Flanellhosen angezogen. Jetzt zog er den Blazer aus und schwang ihn über die Schulter.
Nach vierzig Minuten hörte er ein fernes Puff-Puff-Puff und
versteckte sich in einem Gebüsch neben den Schienen. Eine alte Dampflokomotive fuhr
langsam in nordöstlicher Richtung vorbei. Sie stieß große Rauchwolken aus und zog
Waggons, die mit Kohle beladen waren. Wenn er sich von vorne dem Zug näherte, könnte er
aufspringen. Sollte er? Es würde ihm jedenfalls einen langen Fußmarsch
ersparen. Andererseits würde er sich so schmutzig machen, daß er auffallen könnte. Und
er könnte Probleme haben, wieder abzuspringen, ohne daß ihn jemand sah. Nein, es war
sicherer, zu Fuß zu gehen.
Der Gleiskörper lief schnurgerade durch die flache
Landschaft. Faber kam an einem Farmer vorbei, der sein Feld mit einem Trecker pflügte. Er
konnte nicht vermeiden, daß er gesehen wurde. Der Farmer winkte ihm zu, ohne seine Arbeit
zu unterbrechen. Er war viel zu weit entfernt, um Fabers Gesicht genau erkennen zu
können.
Als er etwa zehn Meilen zurückgelegt hatte, sah Faber eine halbe Meile
entfernt eine Bahnstation vor sich. Er konnte zunächst nur den erhöhten Bahnsteig und
eine Reihe von Signalen ausmachen. Er verließ den Bahndamm und ging, immer an Bäumen
entlang, über die Felder, bis er auf eine Straße traf.
Nach ein paar Minuten
erreichte er das Dorf. Nichts verriet ihm seinen Namen. Jetzt, da die drohende Landung der
Deutschen nur noch eine ferne Erinnerung war, wurden Wegweiser und Namensschilder zwar
wieder aufgestellt, aber in diesem Dorf war man noch nicht soweit.
Es gab ein
Postamt, ein Getreidelager und einen Pub, der The Bull hieß. Eine Frau mit einem
Kinderwagen sagte freundlich »Guten Morgen!«, als er am Kriegerdenkmal vorbeikam. Der
kleine Bahnhof sonnte sich schläfrig in der Frühlingssonne. Faber ging hinein.
Ein
Fahrplan hing am Anschlagbrett. Faber stellte sich davor. Hinter dem kleinen Fenster des
Fahrkartenschalters sagte eine Stimme: »Danach würd’ ich mich an Ihrer Stelle nicht
richten. Das ist die größte Dichtung seit der Forsyte Saga .«
Faber hatte gewußt, daß der Fahrplan veraltet
Weitere Kostenlose Bücher