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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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sein würde, aber er
     hatte herausfinden wollen, ob die Züge nach London fuhren. Gott sei Dank war dem
     so. »Haben Sie ’ne Ahnung, wann der nächste Zug nach Liverpool Street abfährt?« Faber
     hatte sich umgedreht und war zum Schalter gegangen.
    Der Beamte lachte
     sarkastisch. »Irgendwann heute, wenn Sie Glück haben.«
    »Ich möchte jedenfalls
     eine Fahrkarte. Einfach, bitte.«
    »Fünf Schilling, vier Pence. Wie man hört, sind
     die italienischen Züge pünktlich«, sagte der Beamte.
    »Jetzt nicht mehr«,
     erwiderte Faber. »Außerdem habe ich lieber unpünktliche Züge und dafür unsere
     Politik.«
    Der Mann warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Sie haben natürlich
     recht. Wollen Sie in The Bull warten? Sie werden den Zug hören – wenn nicht,
     lasse ich Sie holen.«
    Faber wollte nicht, daß noch mehr Menschen sein Gesicht
     sahen. »Nein, danke, ich würde nur Geld ausgeben.« Er nahm seine Fahrkarte und ging auf
     den Bahnsteig.
    Der Beamte folgte ihm einige Minuten später und setzte sich neben
     ihn auf die Bank, die in der Sonne stand. »Haben Sie’s eilig?«
    Faber schüttelte
     den Kopf. »Der Tag ist für mich verloren. Ich bin zu spät aufgestanden, habe mich mit
     dem Chef gestritten, und der Lastwagen, der mich mitgenommen hat, hatte eine Panne.«
    »Solche Tage gibt es. Tja.« Der Beamte schaute auf seine Uhr. »Der Zug ist heute
     morgen pünktlich hochgefahren, und was raufgeht, kommt auch wieder runter. Sie könnten
     Glück haben.« Er ging zurück in sein Büro.
    Faber hatte Glück. Der Zug kam
     zwanzig Minuten später. Er war voller Farmer, Familien, Geschäftsleute und
     Soldaten. Faber fand einen Platz auf dem Fußboden in der Nähe eines Fensters. Als der Zug
     losrumpelte, nahm er eine weggeworfene, zwei Tage alte Zeitung auf, borgte sich einen
     Bleistift und fing an, das Kreuzworträtsel zu lösen. Er war stolz darauf, englische
     Kreuzworträtsellösen zu können: Das war die Nagelprobe, die zeigte,
     ob man eine Fremdsprache wirklich beherrschte. Nach einer Weile ließ die gleichmäßige
     Bewegung des Zuges ihm die Lider schwer werden. Er träumte.
    Es war ein bekannter Traum, der Traum von seiner Ankunft in London.
    Er war aus Frankreich gekommen – mit einem belgischen Paß, der ihn als Jan van Gelder
     auswies, einen Vertreter von Phillips (was den Koffer mit dem Funkgerät erklären würde,
     wenn der Zoll ihn öffnete). Sein Englisch war damals fließend, aber es fehlten ihm noch
     Ausdrücke aus der Umgangssprache. Der Zoll hatte ihn nicht belästigt: Er war ein
     Verbündeter. Er hatte den Zug nach London genommen. In jenen Tagen gab es viele leere
     Plätze in den Waggons, und man konnte essen. Faber hatte als Abendessen Roastbeef und
     Yorkshire-Pudding bestellt. Er hatte sich mit einem Geschichtsstudenten aus Cardiff über
     die politische Situation Europas unterhalten. Der Traum entsprach der Wirklichkeit, bis der
     Zug in Waterloo anhielt. Dann verwandelte er sich in einen Alptraum.
    Die
     Schwierigkeiten begannen an der Sperre. Wie alle Träume hatte auch dieser seine eigene,
     widersinnige Logik. Was beanstandet wurde, war nicht sein gefälschter Paß, sondern seine
     völlig korrekte Fahrkarte. Der Kontrolleur sagte: »Das ist eine Karte von der
     Abwehr.«
    »Nein«, widersprach Faber mit lächerlich starkem deutschen Akzent. Was
     war mit seinen zarten englischen Konsonanten geschehen? Er brachte sie nicht über die
     Zunge. »I have it in Dover gekauft .« Verflucht, jetzt war es aus.
    Doch der Kontrolleur, der sich in einen Londoner Bobby, dem noch nicht einmal der Helm
     fehlte, verwandelt hatte, schien den plötzlichen Rückfall ins Deutsche nicht bemerkt zu
     haben. Er lächelte höflich und sagte: »Ich muß jetzt Ihre ?Klamotte? überprüfen,
     Sir.«
    Der Bahnhof war voller Menschen. Faber dachte, daß er entkommenkönne, wenn er sich unter die Menge mischte. Er ließ sein
     Kofferfunkgerät fallen, flüchtete und drängte sich durch die Leute. Plötzlich merkte
     er, daß er seine Hose im Zug gelassen hatte und daß auf seinen Socken Hakenkreuze
     waren. Er würde sich im ersten besten Geschäft eine Hose kaufen müssen, bevor den Leuten
     der Mann mit den Nazistrümpfen und ohne Hose auffiel. Dann sagte jemand in der Menge:
     »Ihr Gesicht kenne ich doch«, und stellte ihm ein Bein. Er plumpste hin und landete auf
     dem Boden des Eisenbahnwagens, auf dem er eingeschlafen war.
    Faber blinzelte, gähnte und schaute sich um. Er hatte
    

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