Die nächste Begegnung
»Nicht noch auch du, Marilyn«, sagte Richard. »Was ist denn nur los mit euch allen? Glaubt ihr wirklich, dass Nicole und die Kinder und ich das alles bloß erfunden haben?«
»Außergewöhnliche Behauptungen erfordern auch außergewöhnlich stichhaltige Beweise«, erwiderte sie.
Richard schüttelte den Kopf. Er setzte schon zu einer heftigen Erwiderung an, als ihm einfiel, dass er Wichtigeres zu tun hatte. Also redeten sie ein paar Minuten höflich über technische Dinge, dann ging Richard zurück zur Steuerzentrale und zu seinen wartenden Einstein-Bioten.
Das Großartige der Zusammenarbeit mit den Einsteins war, dass Richard viele Einfälle gleichzeitig erproben konnte. Wenn ihm ein bestimmter Lösungsweg in den Sinn kam, konnte er ihn einem der Bioten vorlegen und dabei völlig sicher sein, d as s der ihn richtig begehen würde. Allerdings schlugen die Einsteins nie von sich aus neue Methoden vor, sondern waren einfach perfekte Denkmaschinen, und sie erinnerten Richard oftmals, wenn ein neuer Einfall eine ähnliche, vorher bereits versagende Technik bedingte.
Alle übrigen Techniker der Kolonie, die sich um eine Modifikation der klimatologischen Algorithmik bemüht hatten, hatten zunächst versucht, die innere Funktionsweise des Supercomputers der Erbauer von Rama zu begreifen, der im Kern der Steuerzentrale steckte. Das war ihr fundamentaler Fehlansatz. Richard dagegen wusste a priori, dass die Funktionsweise des Supercomputers für ihn ununterscheidbar sein würde von Magie und Zauberei, konzentrierte sich darauf, die Output-Signale zu erfassen und zu identifizieren, die von dem riesigen Prozessor ausgingen. Schließlich — so Richards Überlegung — musste der Vorgang in seiner Basisstruktur unkompliziert sein. Irgendeine Anordnung von Meßsystemen, die jederzeit die Inweltbedingungen in New Eden bestimmten. Die Algorithmen der Aliens mussten die Messdaten verwenden, um Anweisungen zu erstellen, die dann irgendwie an jene riesigen Zylinder übertragen wurden, die dann die wirklichen physikalischen Aktionen auslösten, die zu Adaptionen der Habitatsatmosphäre führten.
Richard brauchte nicht lange, um ein Basisfunktionsdiagramm des Prozesses zu erstellen. Da es zwischen der Steuerzentrale und den Zylindern keine Kabelverbindungen gab, bestand offensichtlich eine Art von elektromagnetischer Kommunikation zwischen den beiden Einheiten. Aber eine Kommunikation welcher Art? Bei einem Spektralscanning, um die Wellenlänge herauszufinden, stieß Richard auf viele in Frage kommende Signale.
Aber die Analyse und Einordnung dieser Signale war wie die berühmte Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Mit der Hilfe der Einsteins konnte Richard schließlich festlegen, dass die häufigsten Sendungen im Mikrowellenbereich erfolgten. Eine Woche lang zeichnete er mit seinen biotischen Assistenten den Mikrowellenverkehr auf und verglich die Daten mit den Wetterbedingungen in New Eden (vorher/nachher), und dann versuchte er die spezifischen Parameter der Reaktionsmodulation auf diese Interface-Kontakte bei den Zylindersilos genauer zu erfassen. In dieser Woche testete Richard auch einen tragbaren Mikrowellensender, den er mit den Bioten gebaut hatte, und befand ihn für brauchbar. Beabsichtigt war damit, ihn in die Lage zu versetzen, einen Befehlsimpuls zu erzeugen, der so wirkte, als komme er aus dem Kontrollzentrum.
Sein erster ernsthafter Versuch am letzten Tag war ein völliger Fehlschlag. Da er annahm, die Schwierigkeiten rührten möglicherweise von einem falschen Timing der Sendungen her, entwickelte er mit den Einsteins ein Sequenzkontrollprogramm, mit dem sie ein Signal mit einer Genauigkeit von Fem tosekunden ausstrahlen konnten, so dass die Zylindersilos die Befehle in extrem kurzen Zeitabschnitten empfangen würden.
Fast sofort, nachdem er eine neue (wie er glaubte) Parameterserie an die Zylinder gesendet hatte, schrillte in der Steuerzentrale ein Alarmsignal. Und Sekunden darauf erschien vor Richard und den Bioten in der Luft die geisterhafte Erscheinung des Adlers.
»Menschlinge!«, sagte das Hologramm. »Wir warnen euch. Seid äußerst vorsichtig! Große Sorgfalt und hohes Wissen wurden eingesetzt, um für euer Habitat diese empfindliche Balance zu entwickeln. Verändert diese entscheidenden Algorithmen nur, wenn ein echter Notfall eintritt.«
Trotz seines Erschreckens handelte Richard geistesgegenwärtig und befahl den Einsteins, die Erscheinung aufzuzeichnen. Der Adler wiederholte seine Warnung noch
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