Die nächste Begegnung
der gesamtkolonialen Repräsentation — bestimmte Rassequoten zugeteilt werden sollten. Ganz zu Beginn der Kolonialgeschichte wäre Nicoles Vorschlag möglicherweise akzeptiert worden, etwa direkt nach den Tagen im Somnarium, in denen Nicole den meisten der Neusiedler wie eine Göttin vorkam. Aber nach mehr als einem Jahr war es zu spät dafür. Freies Unternehmer- turn hatte da bereits zu klaffenden Unterschieden des persönlichen Wohlstands und der Immobilienwerte geführt. Und zu diesem Zeitpunkt erkannten sogar Nicoles treueste Anhänger, dass ihr Umsiedlungsplan undurchführbar war.
Nach dem Ende ihrer Amtszeit hatte der Senat lautstark Kenji zugestimmt, als er Nicole zu einem der fünf Richter auf Lebenszeit ernannte. Aber ihre Beliebtheit in der Kolonie sank doch beträchtlich, als die Bemerkungen, die sie zur Verteidigung des abgelehnten Umsiedlungsplans geäußert hatte, in breiter Öffentlichkeit kolportiert wurden. Sie hatte argumentiert, es sei unabdingbar nötig, dass die Kolonisten in kleineren integrierten Gemeinschaften lebten, wenn sie ein echtes Empfinden und Wertschätzung für rassische und kulturelle Verschiedenartigkeit entwickeln sollten. Ihre Kritiker hatten ihre Überzeugung als >hoffnungslos naiv< angesehen.
Jetzt starrte sie noch eine ganze Weile zu den blinkenden Lichtern von San Miguel hinab, während sie sich von der mühsamen Bergwanderung abkühlte. Aber als sie sich abwenden und wieder zu ihrem Haus in Beauvois hinuntersteigen wollte, fielen ihr plötzlich andere funkelnde Lichter ein: die von Davos in der Schweiz, daheim auf dem Planeten Erde. Während ihres letzten Ski-Urlaubs hatte sie mit ihrer Tochter im Bergrestaurant über dem Ort zu Abend gegessen, und hinterher waren sie Hand in Hand in der eisigen Kälte auf dem Balkon gestanden. Und die Lichter von Davos, Kilometer unter ihnen, hatten gefunkelt wie winzige Edelsteine.
Beim Gedanken an die Liebenswürdigkeit, Grazie, den Humor ihres ersten Kindes, das sie seit so vielen Jahren nicht gesehen hatte, traten Nicole die Tränen in die Augen. Dank, Kenji, noch einmal, dachte sie, als sie abzusteigen begann, und meinte die Fotos von Genevieve, die ihr dieser neue Freund von der Erde mitgebracht hatte, dass du mir von deinem Besuch bei ihr erzähltest.
Wieder war alles ringsum schwarz, während sie die Serpentinen hinabstieg. Die Außenwand der Kolonie lag nun links von ihr. Sie dachte weiter über das Leben in New Eden nach. Wir brauchen grade jetzt besonders viel Mut, dachte sie. Mut und Wertvorstellungen, Phantasie und Weitblick. Aber tief innen lauerte die Furcht, dass den Kolonisten das Schlimmste erst noch bevorstünde. Bedrückt dachte sei: Unseligerweise sind Richard und ich — und sogar die Kinder — Außenseiter geblieben, trotz allem, was wir zu tun versuchten. Ziemlich unwahrscheinlich, dass wir viel werden verändern können.
Richard vergewisserte sich, dass die drei Einstein-Bioten sämtliche Prozesse und Daten der diversen Monitore im Arbeitszimmer richtig kopiert hatten. Als sie zu viert aus dem Haus traten, gab Nicole Richard einen Kuss.
»Du bist ein wundervoller Mann, Richard Wakefield«, sagte sie.
»Da scheinst du aber die Einzige zu sein, die so denkt«, sagte er mit einem gezwungenen Lächeln.
»Klar, aber ich bin auch die Einzige, die das wirklich beurteilen kann«, erwiderte Nicole. »Im Ernst, Liebster«, setzte sie hinzu, »ich weiß zu würdigen, was du tust. Ich weiß ..
»Es wird nicht übermäßig spät«, unterbrach er sie. »Die drei KIs und ich, wir haben nur noch zwei Vorhaben, die wir ausprobieren können ... Wenn wir damit heute wieder keinen Erfolg haben, geben wir auf.«
Gefolgt von den drei Einsteins eilte Richard zur Station Beauvois und stieg in den Zug nach Positano. An dem weiten Park am Ufer des Lake Shakespeare, wo zwei Monate zuvor das Fest am Siedlungstag stattgefunden hatte, hielt der Zug kurz. Mehrere Minuten später stieg Richard mit seinem Biotentrupp in Positano aus und ging durch den Ort und in die Südwestecke der Kolonie. Nachdem dort ihre IDs von einem menschlichen und zwei Garda-Posten geprüft worden waren, durften sie durch das Kolonietor den Gürtelbezirk betreten, der New Eden umgab. Es folgte noch eine kurze elektronische Inspektion, ehe sie den einzigen Ausgang erreichten, den es in der dicken äußeren Mauer um das Habitat gab. Das Tor glitt auf, und Richard führte die Bioten nach Groß-Rama hinaus.
Richard hatte ein ziemlich ungutes Gefühl gehabt, als
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