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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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summarisch überführen, verurteilen und exekutieren würden.
    Aber bald wurde die Sache immer undurchsichtiger. Es tauchte nirgendwo irgendein Stück des Schmucks auf. Die Sicherungsmänner hatten Tysons Ankunft und Abfahrt im Hauptbuch notiert, aber danach war er nur zweiundzwanzig Minuten lang auf dem Greenbriar-Gelände, also gewiss kaum lang genug, um seine Waren abzuliefern, Wertsachen zu stehlen und drei Morde zu begehen. Hinzu kam, dass Tyson — nachdem ein Staranwalt seine Verteidigung übernommen hatte, der ihm bei den Aussagen unter Eid kräftig half— unerschütterlich behauptete, Linda habe ihn an jenem Nachmittag gebeten, ihr beim Umstellen einiger Möbel zu helfen. Und damit waren seine Fingerabdrücke im ganzen Haus erklärt ...«
    Dr. Turner schwieg und schien nachzudenken. Seine Qual war in seinem Gesicht deutlich sichtbar. Ellie drückte ihm behutsam die Hand, und er sprach weiter.
    »Beim Prozess brachte der Staatsanwalt vor, dass Tyson am Nachmittag die Bestellung ins Haus geliefert und dort nach einer Unterhaltung mit Linda festgestellt hatte, dass ich bis spät in der Nacht wegen einer Operation in der Klinik festgehalten sein würde. Da meine Frau ein freundlicher, vertrauensseliger Mensch war, erschien es nicht als unglaubwürdig, dass sie mit dem Ausfahrer geplaudert und dabei auch erwähnt haben könnte, dass ich erst sehr spät heimkommen würde ... Jedenfalls, die Anklage unterstellte, dass Tyson nach seinem Dienstschluss im Supermarkt zurückgekehrt sei. Er soll über die Feldsteinmauer, die das Clubgelände umgibt, gestiegen und über den Golfplatz gegangen sein. Dann betrat er erneut das Haus, in der Absicht, Lindas Schmuck zu stehlen, weil er voraussetzte, dass meine Fami li e bereits fest schlief. Anscheinend ertappte meine Frau ihn dabei, und Tyson geriet in Panik ... tötete zuerst Linda und dann auch die beiden Kinder, damit es garantiert keine Zeugen gegen ihn gab ...
    Obwohl keine Zeugen Tyson zu uns zurückkommen sahen, fand ich, der Staatsanwalt hatte einen höchst überzeugenden Fall, und Tyson würde ohne weiteres verurteilt werden. Er hatte nämlich überhaupt kein Alibi für die Zeit, in der das Verbrechen begangen wurde. Die Erdproben von Tysons Schuhen entsprachen genau dem Schlamm in dem Bach, den er hätte durchqueren müssen, um an die Rückseite unsres Hauses zu gelangen. Und er ließ sich zwei Tage lang nach den Morden nicht bei seinem Arbeitgeber blicken. Als er festgenommen wurde, trug er eine ziemlich hohe Summe in bar bei sich, die er angeblich beim Pokern gewonnen haben wollte.
    Aber als dann die Verteidigung loslegte, kamen mir doch ernsthafte Zweifel am Rechtssystem in den Vereinigten Staaten. Der Verteidiger schminkte den ganzen Fall um und machte aus ihm einen >Rassenprozess<. Er malte Carl Tyson als einen armen, vom Pech verfolgten Schwarzen, der einzig aufgrund von Indizienbeweisen >reingelegt< werden sollte. Tyson habe, sagte sein Anwalt donnernd, an jenem Oktobertag nichts weiter getan, als bestellte Ware bei mir zu Hause abgeliefert, jemand anderes, ein bisher unbekannter Irrsinniger, sei über die Mauer gestiegen, habe den Schmuck gestohlen und Linda und die Kleinen umgebracht.
    Während der letzten beiden Prozesstage kam ich zu der Überzeugung—eigentlich hauptsächlich aufgrund der Körpersprache der Geschworenen —, dass man Tyson freisprechen werde. Und da drehte ich einfach durch. Ich war empört über eine solche Rechtsbeugung, und ich zweifelte nicht im Geringsten, dass dieser junge Mann schuldig war. Und die Vorstellung, dass er straffrei bleiben könnte, war für mich schlichtweg unerträglich.
    Während des Prozesses, der etwa sechs Wochen dauerte, fand ich mich an jedem Tag im Gerichtssaal mit meiner kleinen Arzttasche ein. Anfangs überprüften mich die Sicherheitsbeamten jedes Mal, doch nach einer Weile winkten sie mich einfach durch, besonders wohl auch, weil die meisten Mitgefühl für meinen Schmerz empfanden.
    Am Wochenende vor dem angesetzten Ende des Prozesses flog ich nach Kalifornien, vorgeblich, um an einem medizinischen Seminar teilzunehmen, in Wirklichkeit aber, um mir auf dem Schwarzmarkt dort eine Schusswaffe zu besorgen, die in meine Arzttasche passte. Wie ich erwartet hatte, wollten die Wachen am Tag der Urteilsverkündung meine Tasche nicht durchsuchen.
    Als der Freispruch verlesen wurde, gab es einen Tumult im Saal. Alle Schwarzen auf der Tribüne jubelten. Carl Tyson und sein Anwalt, ein Mann namens Irving

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