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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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plötzlich bei ihr im Zimmer. Sie blickte sich hastig um, aber sie war allein.
    Was geht mit mir vor? Bin ich überarbeitet ? Haben der Martinez- Fall und jetzt diese Hochzeit mich überfordert und ich drehe durch ? Oder erlebe ich wieder eine von meinen psychischen Exaltationen?
    Durch langsames, tiefes Durchatmen versuchte sie sich zu beruhigen. Trotzdem gelang es ihr nicht, das Gefühl loszuwerden, dass Genevieve und Simone sich hier bei ihr im Zimmer befänden. Ihre Nähe war dermaßen stark fühlbar, dass Nicole sich zwingen musste, nicht laut zu ihnen zu sprechen.
    Deutlich vergegenwärtigte sie sich die Diskussionen, die sie mit Simone gehabt hatte, ehe Simone Michael O'Toole heiratete. Vielleicht sind sie deshalb gekommen, dachte Nicole. Um mich daran zu erinnern, dass ich in meiner Arbeit so untergegangen bin, dass ich nicht einmal Zeit hatte, Ellie meine berühmten Epithalamien zu halten. Sie lachte laut und etwas nervös auf, aber die Gänsehaut auf den Armen verschwand nicht.
    Verzeiht mir, ihr meine Süßen, sagte sie stumm zu dem Foto von Ellie und zu den Geistern ihrer anderen zwei Töchter. Ich verspreche, morgen will ich .. .
    Diesmal war der Schrei unmissverständlich. Nicole erstarrte. Ein Adrenalinstoß fuhr durch ihren Körper. Blitzschnell rannte sie durch das Haus zum Studio, in dem Richard arbeitete.
    Noch in der Tür rief sie: »Richard, hast du das gehört ...«
    Sie brach mitten in der Frage ab. Das Arbeitszimmer war völlig durcheinander. Richard hockte auf dem Boden zwischen zwei Monitoren und einem wirren Berg von elektronischen Bauteilen. In der einen Hand hielt er seinen kleinen Roboterprinzen Hen ry /Hai, in der anderen seinen kostbaren Body- computer von dem Newton-Flug. Drei Bioten — zwei Garcias und ein teilweise zerlegter Einstein — beugten sich über ihn.
    »Oh, hallo, Liebes«, sagte Richard kühl. »Was machst du denn hier? Ich dachte, du schläfst längst.«
    »Richard, ich bin sicher, dass ich einen Avianer schreien gehört habe. Grad vorhin. Und ganz in der Nähe.« Nicole zögerte. Sie überlegte, ob sie ihm auch etwas von dem >Besuch< Genevieves und Simones sagen sollte.
    Richard runzelte die Stirn. »Ich hab nichts gehört. Habt ihr was gehört?«, fragte er die Bioten. Die schüttelten den Kopf, auch der Einstein, dessen Brust weit offen und über vier Kabel mit den Monitoren auf dem Fußboden verbunden war.
    »Ich weiß aber, dass ich was gehört habe«, wiederholte Nicole. Und nach einer Pause dachte sie: Ist das ein Symptom von höchstem Stress? Dann begutachtete sie das Durcheinander auf dem Fußboden. »Übrigens, was treibst du hier eigentlich, mein Guter?«
    »Das da?«, sagte Richard mit einer unbestimmten, weit ausholenden Geste. »Ach, das ist weiter nichts. Bloß eins meiner neuen Projekte.«
    »Richard Wakefield«, sagte sie blitzschnell, »du sagst mir nicht die Wahrheit. Der ganze Wust da auf dem Boden kann ganz unmöglich >weiter nichts< sein ... Dazu kenn ich dich nun doch zu gut. Also, was für ein Geheimnis ... «
    Richard hatte die Displays auf den drei aktiven Monitoren verändert und schüttelte nun heftig den Kopf. »Das gefällt mir aber gar nicht«, brummte er. »Ganz und gar nicht!« Er schaute zu Nicole herauf. »Du hast dich nicht zufällig in meine neuesten Datenspeicher im Zentralcomputer eingeklinkt? Auch nicht unabsichtlich?«
    »Nein. Selbstverständlich nicht! Ich kenne ja nicht einmal deinen Zugangscode ... Aber ich wollte über was ganz andres mit dir reden ...«
    »Aber irgendwer hat das getan ...« Rasch tippte Richard ein Sicherungsdiagnose-Subprogramm ein und besah sich einen der Monitore. »Wenigstens fünfmal in den letzten drei Wochen ... Du bist ganz sicher, dass nicht du es warst?«
    »Ganz sicher, Richard«, erwiderte sie bestimmt. »Aber du versuchst immer noch, mich vom Thema abzulenken ... Ich will jetzt wissen, was das hier soll.«
    Richard stellte den Miniaturprinzen Heinz auf den Boden und schaute zu Nicole auf. »Ich bin noch nicht ganz so weit, dass ich es dir sagen könnte, Liebes«, sagte er nach einigem Zögern. »Bitte lass mir noch ein paar Tage Zeit.«
    Nicole war verdutzt, doch dann begann sie zu lächeln. »Na schön, Liebling, wenn es ein Hochzeitsgeschenk für Ellie ist, warte ich gern ... «
    Richard wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Nicole setzte sich auf den einzigen nicht mit irgendwelchen Sachen beladenen Sessel im Raum. Während sie Richard zuschaute, merkte sie plötzlich, wie müde sie war.

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