Die nächste Begegnung
Meistergeschöpf zu klettern begann.
Einmal verlor der Prinz den Tritt und hing schaukelnd an den Händen, doch nach einer Weile schaffte er es, wieder Halt zu finden. Allerdings brauchte er für den Anstieg weitere dreißig Minuten. Richard begriff, dass seine Zeit knapp wurde. Und als dann Hai sich auf einen Fenstersims an einem runden Einstiegsloch hochzog, sah er, dass der Zugang zum Modul durch eine Abschirmung aus Maschendraht blockiert war. Aber trotz des schwachen Lichts war das Innere teilweise erkennbar. Richard brachte Hals Minikamera behutsam auf die richtige Brennweite, so dass sie durch das Gitter aufnehmen konnte.
»Der Posten besteht darauf, dass er an den ihm angewiesenen Platz zurückkehren muss«, informierte Garcia #325 Richard über Sprechfunk. »Er muss sich jeden Tag um 06.30 Uhr melden.«
Mist, dachte Richard, nur noch sechs Minuten. Er bewegte Hai langsam am Rand der Schleuse hin und her, um zu sehen, ob er drinnen irgendwelche Objekte identifizieren könne. Doch er entdeckte nichts Besonderes. »Schrei!«, befahl Richard dann und drehte das Audiovolumen des Roboters voll auf. »Schrei, bis ich >Halt< sag.«
Das Maximalvolumen des neuen Verstärkers, den er dem Prinzen eingebaut hatte, hatte er bisher noch nicht getestet, und so erstaunte es ihn doch, in welcher Amplitude der imitierte Vogelschrei aus dem Tunnel zurückschallte. Richard machte einen Satz nach hinten. Ganz verdammt schön laut, dachte er. Das heisst, wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen.
Der Wachbiot hatte Richard bald geortet, verlangte seine Personalpapiere und eine Erklärung, was er hier zu suchen
habe. Super-Al und Garcia #325 versuchten ihn zu verwirren, doch als Richard sich unkooperativ zeigte, bestand er darauf, dass er eine Dringlichkeitsmeldung machen müsse. Richard sah auf seinem Monitor, wie der Maschendraht sich auftat und sechs Leggies sich auf den Roboterprinzen zubewegten, der weiter Vogelschreie ausstieß.
Der Garcia-Wachposten schickte seinen Notruf aus. Richard war sich darüber klar, dass ihm nur noch ein paar Minuten blieben, ehe er gezwungen sein würde wegzugehen. Komm schon, verdammt!, dachte er und blickte dabei immer wieder h as tig zwischen dem Monitor und der Zentralebene hinter sich hin und her. Noch tauchten keine Lichter aus dem heimatlichen Modul in der Ferne auf.
Zuerst dachte er, dass er es sich nur eingebildet habe. Dann aber wiederholte es sich: das Geräusch von gewaltigen Flügelschlägen. Einer der Beinlinge verdeckte ihm teilweise die Sicht, doch kurz darauf sah Richard, wie ihm bekannte Krallen sich nach Prinz Hai ausstreckten. Und das Vogelkreischen bestätigte den optischen Eindruck. Dann wurde das Monitorbild faserig.
»Wenn du 'ne Chance kriegst«, brüllte Richard in den Sender, »versuch dich in die Passage zurückzuziehen. Ich komm dich später holen!«
Er drehte sich um und verstaute hastig seinen Monitor in seinem Tragepack. »Haun wir ab«, sagte er zu seinen zwei Biotenhelfern. Dann setzten sie sich laufend in Richtung New Eden in Bewegung.
Richard verspürte so etwas wie ein Triumphgefühl, während er heimwärts rannte. Also war meine Ahnung doch richtig, sagte er sich jubelnd. Und damit ändert sich alles ... Aber jetzt muss ich Brautvater spielen.
10
Die Hochzeit sollte um sieben Uhr abends im Theatersaal der Central Highschool stattfinden. Der anschließende Empfang für einen weit größeren Gästekreis sollte in dem knapp zwanzig Meter entfernten Gymnasium stattfinden. Nicole hatte den ganzen Tag lang mit Dringlichkeiten zu kämpfen, musste eine mögliche Minikatastrophe nach der anderen abwenden, die sich bei den Vorbereitungen anbahnten.
Es blieb ihr wirklich nicht die Zeit, über Richards Entdeckung nachzudenken. Er war so voller Enthusiasmus zurückgekommen, hatte mit Nicole über die Avianer reden wollen und darüber, wer möglicherweise in seiner Arbeit herumspionierte, aber Nicole war einfach nicht fähig gewesen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als die Hochzeit. Schließlich hatten sie abgemacht, dass sie keinem ein Wort über die Avianer sagen würden, ehe sie nicht vorher ausführlich miteinander darüber gesprochen hätten.
Sie war mit Ellie zu einem Morgenspaziergang in den Park gegangen. Sie hatten über eine Stunde lang über die Ehe, über Liebe und über Sexualität gesprochen, doch Ellie war wegen der Hochzeit dermaßen aufgeregt, dass sie nicht so richtig konzentriert dem zuhörte, was ihre Mutter ihr zu vermitteln
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