Die nächste Begegnung
zurück.
Und wenige Augenblicke später — oder so kam es Nicole vor — waren die Akteure der Zeremonie auf der Bühne um Richter Myshkin geschart, und die Musik kündigte den Einzug der Braut an. Wie die anderen auch spähte Nicole nach hinten in den Zuschauerraum. Und da war ihre wunderschöne jüngste Tochter und kam an Richards Arm in ihrem prachtvollen weißen, rot gesäumten Brautkleid den Mittelgang herauf. Nicole unterdrückte die Nässe in den Augen, doch als sie dann die dicken Tränen auf den Wangen der Braut funkeln sah, vermochte auch sie sich nicht länger zu beherrschen. Ich lieb dich, meine Ellie, sagte sie zu sich selbst. Und ich hoffe so sehr, du wirst glücklich!
Richter Myshkin hatte eine eklektizistische Zeremonie erarbeitet (auf Wunsch des Brautpaares), eine Mischung aus unterschiedlichsten ethnischen und religiösen Traditionen. In seiner Ansprache preis er die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau. Er sprach davon, wie wichtig ihre Bindung für den Aufbau einer guten, echten Familie sei. Er mahnte das Brautpaar, tolerant, geduldig und unegoistisch zu sein. Dann sprach er ein überkonfessionelles >Gebet<, in dem er Gott anflehte, in Braut und Bräutigam »jenes zwischenmenschliche liebevolle Verständnis keimen zu lassen, durch das die Gattung Mensch sich auszeichnet«.
Es war eine kurze, aber stilvolle Zeremonie. Robert Turner und Ellie tauschten die Ringe und sprachen ihr eheliches Gelöbnis laut und mit fester Stimme. Sie wandten sich Richter Myshkin zu, der ihre Hände ineinander fügte. »Kraft der mir durch die Bürgerschaft der Kolonie New Eden übertragenen Autorität erkläre ich hiermit Robert Turner und Eleanor Wakefield als ehelich verbunden und Mann und Weib.«
Als Dr. Turner behutsam Ellies Schleier hob, um ihr traditionsgemäß den Kuss zu geben, knallte ein Schuss und kurz darauf ein zweiter. Richter Myshkin kippte vornüber in das Brautpaar hinein. Aus seiner Stirn sprudelte Blut. Kenji Watanabe neben ihm brach gleichfalls zusammen. Eponine stürzte zwischen dem Brautpaar und den Gästen nach vorn, als ein dritter und ein vierter Schuss fielen. Alle schrien, im Auditorium herrschte Chaos.
Dann folgten rasch hintereinander zwei weitere Schüsse. Und Max Puckett entwaffnete schließlich den Lincoln-Bioten in der dritten Sitzreihe, der die Schüsse abgefeuert hatte. Nach dem ersten Schuss hatte Max sich sofort umgedreht und war eine Sekunde später über die Sitzreihen gesprungen. Aber der Lincoln, der bei dem Wort >Weib< aufgestanden war, konnte aus seiner Automatic weitere vier Schüsse abgeben, ehe Max ihn endgültig überwältigt hatte.
Die Bühne schwamm in Blut. Nicole kroch zur Seite und untersuchte den Gouverneur. Aber Kenji Watanabe war bereits tot. Dr. Turner hielt Myshkin in den Armen, als der liebenswürdige alte Gentleman zum letzten Mal seine Augen schloss. Die dritte Kugel war offensichtlich Dr. Turner zugedacht gewesen, aber Eponine hatte sie abgefangen, als sie kühn vorwärts gestürzt war, um das Brautpaar zu retten.
Nicole richtete das mit Richter Myshkin umgestürzte Mikrophon auf. »Meine Damen und Herren! Das ist schrecklich! Eine entsetzliche Tragödie! Bitte bewahrt die Ruhe und geratet nicht in Panik! Es sieht so aus, als bestünde keine weitere Gefahr. Bitte bleibt doch alle auf euren Plätzen, bis wir die Verletzten versorgt haben.«
Die letzten vier Geschosse hatten keinen allzu schweren Schaden angerichtet. Eponine verlor viel Blut, aber ihr Zustand war nicht kritisch. Max hatte den Lincoln erwischt, gerade als der die vierte Kugel abschoss, und höchstwahrscheinlich damit Nicole das Leben gerettet, denn diese Kugel hatte sie nur um wenige Zentimeter verfehlt. Zwei Gäste hatten Streifschüsse von den letzten Kugeln davongetragen, während der Lincoln zu Boden ging.
Richard lief zu Max und Patrick, die den Killer-Bioten festhielten. »Der gibt auf keine Frage 'ne verdammte Antwort«, sagte Max.
Richard besah sich die Schulter des Bioten. Er trug die Nummer 333. »Bringt ihn nach hinten«, sagte Richard. »Den will ich mir später mal genau anschauen.«
Auf der Bühne kauerte Nai Watanabe auf den Knien und hielt den Kopf ihres geliebten Kenji im Schoss. Ihr ganzer Leib bebte von heftigem verzweifelten Schluchzen. Die beiden Zwillinge, Galileo und Kepler, kauerten neben ihr und brüllten vor Angst. Ellie, deren weißes Kleid blutbeschmiert war, versuchte die kleinen Jungen zu beruhigen.
Dr. Turner versorgte Eponine. Nachdem er die Wunde
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