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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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ihn. Alle seine Erlebnisse, seit er in ihr Habitat gekommen war, liefen ihm durch den Kopf. Er erinnerte sich besonders deutlich daran, wie plötzlich diese Veränderung in seiner Behandlung eingetreten war, und an die darauffolgende Überstellung in den Bereich der Myrmikatzen. Und dann kam diese Besichtigungstour und dann war ich hier ... Es ist ja ganz klar, dass sie mit mir zu kommunizieren versuchten ... Aber warum?
    Und in diesem Augenblick erlebte Richard eine solch gewaltige Erleuchtung, dass ihm schon wieder die Tränen hochkamen. Natürlich — weil sie verzweifelt sind! Sie bitten mich um Hilfe!

    6
    Und wieder bildete sich in dem Gewebe eine weite Kaverne. Richard sah aufmerksam zu, wie dreißig kleinere Ganglien eine etwa fünfzig Zentimeter große Kugel am andren Ende des Lochs formten. Eine ungewöhnlich dicke Faser verband jedes Ganglion mit dem Kugelmittelpunkt. Anfangs vermochte Richard im Innern nichts auszumachen. Nachdem aber die Ganglien ihre Lage verändert hatten, sah er an der Stelle, wo die Kugel sich befunden hatte, ein winziges grünliches Objekt, d as sich mit Hunderten kleinen Fäserchen im Großgewebe verankerte.
    Das Wachstum war sehr langsam. Die Ganglien waren bereits in drei neue Positionen gerückt und hatten dabei jedes Mal die gleiche Kugelausformung wiederholt, ehe Richard erkannte, dass die Wucherung im Geflecht eine — Mannamelone war. Es traf ihn wie ein Blitzschlag. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die verschwundene Myrmikatze Eier hinterlassen haben konnte, die zur Keimung so lange brauchten. Und wenn, dann können das ja nur ein paar Zellen gewesen sein, ganz, ganz winzige Embryos, die hier irgendwie aufgepäppelt wurden...
    Sein Gedankengang wurde unterbrochen von der plötzlichen Erkenntnis, dass diese jungen Mannamelonen sich in einem Teil des Gewebes entwickelten, der fast zwanzig Meter von der Stelle entfernt lag, an der die Myrmikatze in den Kokon eingesponnen worden war. Also hat dieses lebende Gewebe die Eier von einer Stelle an eine andere bewegt ? Und sie dann dort wochenlang festgehalten?
    Sein logischer Verstand verwarf zunächst die Hypothese, dass die verschwundene Myrmikatze überhaupt Eier gelegt haben könnte. Langsam, aber sicher fand er dann eine plausible andere Erklärung für seine Wahrnehmungen, nämlich dass er hier wohl mit einer weit komplexeren Biologie konfrontiert sei als jemals in seinen Tagen auf der Erde. Er fragte sich: Wenn die Mannamelonen, die Myrmikatzen und dieses Gewebe nun nichts andres wären als das, was wir auf der Erde als >metamorphe Formen< ein und derselben Spezies bezeichnen würden?
    Die vielfältigen Schlussfolgerungen aus dieser simplen Fragestellung erregten ihn derart, dass er zwei lange Wachperioden hindurch sämtliche Eindrücke seit seinem Eintritt in das Zweite Habitat noch einmal kritisch an sich vorbeiziehen ließ. Er starrte die vier winzigen Mannamelonen an, die jenseits der Klüftung heranreiften, und stellte sich einen Metamorphosezyklus vor, in dem die Mannas die Myrmis hervorbrachten, die dann ihrerseits nach ihrem Tod hierher ins Netzgewebe kamen und dem Gewebe Materie zuführten, das darauf wieder Manna-Eier legte, so dass der zyklische Prozess von neuem beginnen konnte. Keine seiner Beobachtungen widersprach einer solchen Interpretation. Trotzdem explodierte Richard fast der Kopf von tausend Fragen. Nicht nur darüber, wie sich diese komplexe Metamorphose abspielte, sondern auch, warum diese Spezies sich überhaupt zu derartiger Komplexität entwickelt hatte.
    Seine akademischen Studien hatten hauptsächlich Bereichen gegolten, die er stolz als >exakte Wissenschaften<, bezeichnet hatte. Mathematik und Physik hauptsächlich waren seine Studiengebiete gewesen. Und während er sich jetzt abmühte, den potentiellen Lebenszyklus des Wesens zu begreifen, in dessen Innerem er nun schon seit so vielen Wochen lebte, stellte er bestürzt fest, wie unwissend er war. Er wünschte, er hätte sich mehr mit Biologie befasst. Denn wie soll ich ihnen denn helfen können ? Ich hab ja überhaupt keine Ahnung, wo ich ansetzen soll!
    Viel später sollte Richard sich fragen, ob das Wesen, in dessen Innern er lebte, nicht zu diesem Zeitpunkt nicht nur gelernt hatte, seine Erinnerungsbilder abzurufen, sondern auch seine Gedanken zu interpretieren. Sein Besuch tauchte einige Tage später auf. Wieder tat sich im Gewebe eine Gasse auf zwischen Richards Position und dem einstigen Eingang. Vier völlig identische

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