Die nächste Begegnung
Myrmikatzen kamen heran und bedeuteten Richard, er möge ihnen folgen. Sie hatten seine Kleidungsstücke bei sich. Hatte das Gewebe auch sie erneuert und irgendwo abgelegt? Und als er sich zu bewegen versuchte, hielt es ihn nicht zurück. Aber seine Beine waren ziemlich wacklig. Doch nachdem er sich angekleidet hatte, schaffte er es irgendwie, hinter den Myrmikatzen hinaus in den Korridor zu gelangen.
Der große Saal war offensichtlich 'vor kurzem verändert worden. Die ausgedehnten Wanddekorationen waren noch nicht vollendet. Ja, während noch Richards myrmikatzischer Tutor ihn auf einzelne bereits fertiggestellte Teile hinwies, arbeiteten Myrmikatzenkünstler noch weiter an der ungeschminkten Wand. Während der ersten Instruktionsstunden, die Richard in diesem Raum erhielt, war ein gutes Dutzend Künstler damit beschäftigt, die restlichen Sektionen zu entwerfen oder zu bemalen.
Richard brauchte nur diesen einen ersten Besuch, um zu verstehen, weshalb man ihn hierher gebracht hatte: Der ganze weite Raum diente dazu, ihm die Information zu übermitteln, wie er dieser fremdartigen Spezies helfen könne — zu überleben. Es war unmissverständlich klar: diese Außerirdischen wussten, dass für sie höchste Gefahr bestand, von den Menschen überrollt und vernichtet zu werden. Die Malereien hier waren nichts anderes als ein Versuch ihrerseits, Richard genug Datenmaterial zu liefern, das er brauchen würde, um sie zu retten. Aber war es möglich, nur aus diesen Bildern genügend Information zu sammeln?
Als künstlerische Arbeit war der Wandschmuck meisterhaft. Richard versuchte ab und zu immer wieder einmal, seine Linkshirntätigkeit auszuschalten, die sich um eine Interpretation der Botschaften dieser Bildfolgen bemühte, so dass die rechte Gehirnpartie die talentierte Arbeit der Künstler genießen könne. Diese arbeiteten aufrecht, die Hinterbeine auf den Boden gepflanzt, die vier vorderen Extremitäten arbeiteten koordiniert an der Zeichnung, beziehungsweise der Malerei. Dabei sprachen sie untereinander, anscheinend sich gegenseitig befragend, aber dies geschah so leise, dass Richard davon nicht gestört wurde.
Die erste Hälfte der Fresken war so etwas wie ein Lehrbuch der Biologie der Außerirdischen. Und es zeigte sich dabei, dass Richards Grundeinschätzung der fremden Geschöpfe korrekt gewesen war. In der großen Sequenz gab es mehr als hundert Einzelbilder, von denen zwei Dutzend verschiedene Entwicklungsstadien des myrmikatzischen Emb ry os darstellten. Richards flüchtige Erkenntnisse aus dem Besuch in der Myrmikatzen-Kathedrale wurden dadurch beträchtlich erweitert. Diese Hauptpaneele über die Embryonalentwicklung zogen sich kontinuierlich um die Wände des Sanktums.
Über und unter ihnen befanden sich stützende oder ergänzende Bildgevierte, deren Aussagen aber größtenteils jenseits von Richards Verständnis lagen.
Beispielsweise ein Quartett von flankierenden Gemälden umgab das Bild einer Manna, die eben aus einem Gewebe entfernt worden war, aber den aktiven Schritt zur Entwicklung zur Myrmikatze in ihrem Innern noch nicht getan hatte. Richard war sicher, dass die vier Hilfsillustrationen ihm spezifische Informationen über die notwendigen Umgebungsbedingungen für den Einsatz des Keimungsprozesses liefern sollten. Doch die Myrmi-Künstler hatten zur Illustration Szenen von ihrem Heimatplaneten verwendet — die wünschenswerten Umweltbedingungen mit Nebellandschaften, Seen und der einheimischen Flora und Fauna. Aber Richard konnte nur den Kopf schütteln, als sein Myrmi-Instruktor ihm diese Bilder zeigte.
Ein Diagramm über dem Hauptfries benutzte Sonnen und Monde, um einen Zeitrahmen anzugeben. Daraus entnahm Richard, dass das Myrmikatzen-Stadium der Spezies im Vergleich zur Gewebe-Periode sehr kurz war. Alles andere, was dieses Diagramm ihm zu erklären versuchte, konnte er jedoch nicht erschließen.
Auch die numerischen Bezüge zwischen den einzelnen morphologischen Manifestationen der Spezies wurden ihm nicht recht klar. Klar war immerhin so viel, dass aus jeder Mannamelone nur eine Myrmikatze hervorging (nirgends war ein Bild von Zwillingen zu sehen) und dass ein Gewebe viele Mannas hervorbringen konnte. Doch wie war das Verhältnis zwischen Geweben und Myrmikatzen? Ein Bild zeigte ein großes Gewebe mit einem Dutzend verschiedener Myrmis in seinem Innern — jedes in einem unterschiedlichen Kokonstadium. Was sollte man daraus schließen?
Er schlief in einem kleinen Raum, der nicht
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