Die nächste Begegnung
hab ich auch keine schleifenden Bürsten und kein hochfrequentes Wimmern gehört.
Ich stieg die Rampe zu der weiten Höhle mit den vier Stollen hinab, die Richard und ich einst mit einem Kinderabzählreim bezeichnet hatten (>Eene, meene, mahne, muh ...<). Es war schwierig, doch ich zwang mich, in den Tunnel zu gehen, den wir damals gewählt hatten. Doch nach ein paar Schritten blieb ich stehen, dann kehrte ich um und trat in den Stollen daneben. Auch dieser führte zu dem absteigenden Tonnenschacht mit den aus der Wandung ragenden Spikes. Doch er führte an dem Raum vorbei, den wir damals das >Museum< der Oktarachniden genannt hatten. Deutlich kam mir das Entsetzen wieder in den Sinn, das ich vor neun Jahren verspürt hatte, als ich Dr. Takagishi wie eine ausgestopfte Trophäe in diesem Museum hängen sah.
Es gab einen Grund, warum ich diesen Raum sehen wollte, und das hatte nicht unbedingt etwas mit der Suche nach Katie zu tun. Wenn Richard von den Oktos getötet worden war (wie vermutlich Takagishi — allerdings bin ich immer noch im Zweifel, ob er nicht an Herzversagen starb) , oder wenn sie Richards Körper irgendwo in Rama fanden, dann würde der vielleicht ebenfalls hier in diesem Museum sein. Es wäre stark untertrieben zu sagen, dass ich nicht besonders begierig darauf war, die ausgestopfte Version eines außerirdischen Taxidermisten von meinem Mann zu sehen; aber vor allem wollte ich wissen, was mit Richard passiert war. Besonders weil ich da diesen Traum gehabt hatte.
Ich holte also tief Luft, ehe ich durch die Tür trat und mich nach links wandte. Kaum war ich eingetreten, flammte Helligkeit auf, aber glücklicherweise starrte mir Dr. Takagishi nicht direkt ins Gesicht. Man hatte ihn ans andere Ende des Raums verbracht. Tatsächlich hatte jemand in den verflossenen Jahren die ganze Ausstellung umarrangiert. Sämtliche BiotenNachbildungen, die seinerzeit den größten Raum beansprucht hatten, als Richard und ich unsern letzten Kurzbesuch machten, waren entfernt worden. Es gab nur noch zwei >Exponate< (wenn man sie so bezeichnen kann): die Flugwesen, die >Avianer<, und uns Menschen, die >Humanoiden<.
Das avianische Display war dem Eingang näher. Drei der >Vögel< hingen mit weit ausgebreiteten Schwingen von der Decke. Einer davon war der Grausamtene mit den zwei kirschroten Halsringen, den Richard und ich vor seinem Flug in den Tod noch gesehen hatten. In der avianischen Abteilung gab es noch andre faszinierende Objekte, sogar Fotos, aber mein Blick wurde ans andre Ende des Raumes gezogen — zu dem Display um Dr. Takagishi.
Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus, als mir klar wurde, dass Richard nicht in diesem Raum >stand<. Aber unser Segelboot war da, in dem Richard, Michael und ich über das Zylindermeer gekommen waren. Es lag direkt neben Takagishi auf dem Boden. Und es gab ein Sortiment von Relikten unsrer Picknicks und andren Aktivitäten droben in New York. Aber Hauptattraktion waren gerahmte Bilder an Rück- und Seitenwänden.
Aus der Entfernung konnte ich nicht viel davon erkennen, was die Bilder darstellten, aber als ich mich näherte, blieb mir die Luft weg. Es waren Fotos in rechtwinkligen Rahmen, und viele zeigten Innenansichten unserer Behausung. Wir alle, auch die Kinder, waren vertreten. Szenen beim Essen, wenn wir schliefen, sogar im Bad und auf der Toilette. Ich war wie betäubt. Wir werden überwacht, sagte ich zu mir, sogar in unserm Heim werden wir bespitzelt. Mich überkam eine scheußliche Eiseskälte.
An der Seitenwand hing eine Sonderkollektion, die mich peinlich berührte und ärgerte. Auf der Erde hätten sie durchaus in einer Sammlung von Erotika hängen können. Sie zeigten mich und Richard beim Liebesspiel — in den unterschiedlichsten Stellungen. Es gab auch ein Bild von Michael und mir, aber das war nicht ganz so scharf, weil es in jener Nacht im Raum dunkel gewesen war.
In der Reihe unter den Sexfotos waren lauter Bilder von der Geburt der Kinder. Sie waren alle da, auch die Geburt von Patrick, was bedeutete, dass die Überwachung anhielt. Aber die Zusammenstellung von Sexualakten und Geburten verdeutlichte, dass die Oktarachniden (oder die >Ramaner) klar begriffen hatten.
Ich stand völlig versunken wohl eine Viertelstunde vor den Bildern. Meine Faszination zerbrach schließlich, als ich vom Eingang her ein sehr lautes Kratzen von Bürsten auf Metall hörte. Ich war völlig starr vor Schreck. Ich stand wie angefroren da und schaute mich wild um. Aber es
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