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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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nüchtern und beschloss, bei der Krankengeschichte, die man mir aufgetischt hatte, zu bleiben. «Ich werde die Praxis übernehmen und nach und nach modernisieren. Eventuell suche ich mir später einen Allgemeinmediziner als Partner und kümmere mich dann nur noch um den Anti-Aging-Bereich.»
    Birte starrte mich entgeistert an. «Aber wir wollten doch irgendwo hingehen, wo es schön ist!»
    «Hier ist es doch schön», gab ich zurück und überlegte, dass von
wir
eigentlich genau genommen nie die Rede war.
    Für einen kurzen Moment empfand ich Mitleid mit Birte. Konnte es wirklich sein, dass sie aus dem Gefühl ehrlicher und wahrhaftiger Liebe heraus mit mir eine Zukunft planen wollte? Ich konnte es kaum glauben. Außer Wut und Ungeduld hatte sie bislang wenig Emotionen an den Tag gelegt.
    Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, dann griff Birte mir plötzlich ohne Vorwarnung in den Schritt.
    «Paul!», hauchte sie und offenbarte gleich darauf ihr wahres Interesse an unserer Beziehung. «Ich habe, ehrlich gesagt, wenig Lust, hier in diesem Viertel zu versauern. Und so ging es dir doch auch. Was ist nur in dich gefahren? Ich meine, wir wollten doch Karriere machen. Also 

so richtig.» Sie holte kurz Luft. «Außerdem kannst du doch nicht einfach immer alle Entscheidungen allein treffen, ich meine, wir sind jetzt ein Team. Und solche Dinge wie berufliche Veränderungen oder Umzug bestimmt ja wohl eigentlich die Frau.»
    Das war mir nicht nur neu, das wollte ich außerdem nicht. Ich schüttelte ihre Hand ab.
    «Birte», sagte ich und bemühte mich um einen freundlichen Tonfall. «Du hast mich nicht verstanden. Das mit uns war wirklich toll 

» Im Stillen dachte ich, was für ein blödes Wort
toll
in diesem Zusammenhang doch war. «Aber es hätte keine Zukunft. Wir passen einfach nicht zusammen, und ich habe auch nicht vor, mich den Rest meines Lebens von dir herumkommandieren zu lassen. Weder beruflich noch privat.»
    Erleichtert, dass ich gesagt hatte, was gesagt werden musste, nahm ich einen Schluck Wein. Mit geschlossenen Augen genoss ich den Moment, als der Alkohol durch meinen Körper schoss.
    «Paul!», rief Birte empört, die offenbar immer noch nicht verstanden hatte, was ich ihr sagen wollte. «Was soll das bedeuten? Glaubst du etwa, ich kann unter diesen Umständen weiter mit dir zusammenarbeiten?»
    Ich nahm noch einen Schluck Wein. Dann schüttelte ich langsam den Kopf. «Nein», sagte ich seelenruhig, «das glaube ich nicht. Und deshalb möchte ich auch, dass du dir eine neue Stelle suchst. Ab morgen bist du freigestellt. Und noch etwas 

» Ich hielt ihrem hasserfüllten Blick stand. «Wenn du jetzt gehst, möchte ich, dass du meinen Wohnungsschlüssel hierlässt.»
     
    Heute fühle ich mich, als wäre mir eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen worden. Mit dem unbändigen Wunsch, einen tatkräftigen Einstieg in mein neues Leben zu finden, gehe ich nach dem letzten Patienten zu meiner Mutter.
    Sie sitzt am Anmeldetresen, hat den Kasten mit den Karteikarten bereits abgeschlossen und ist gerade dabei, sich auf den Weg zur Garderobe zu machen. Ich lehne mich an den Türrahmen und beobachte sie dabei, wie sie die Knöpfe ihrer alten Jacke über der Brust zu schließen versucht.
    «Wenn du in meiner Praxis weiterhin halbe Tage arbeitest», sage ich sanft, «werde ich dir ein anständiges Gehalt zahlen. Eines, von dem du dir jede Woche eine neue Jacke kaufen kannst.»
    Mutter schneidet eine Grimasse. «Wir sind doch keine armen Leute!», tadelt sie mich. «Wir sind nur sparsam. Unsere Generation hat für das Alter vorgesorgt. Und weißt du was?» Sie sieht mich spitzbübisch an. «Ich bin heilfroh, dass das Alter jetzt anfängt!»
    Ich muss lachen. «Heißt das, ihr wollt euer Erspartes nun endlich anbrechen?»
    «Ganz genau. Hier, schau mal», meine Mutter zerrt ein paar Reiseprospekte aus ihrer Handtasche und hält sie mir unter die Nase. «Ich muss deinen Vater mit etwas beschäftigen, damit er sich weiterhin gebraucht fühlt.»
    Verschmitzt deutet sie auf eine der Broschüren. Ich erkenne den Tafelberg, entdecke eine Pinguinfamilie und daneben noch ein paar furchteinflößende Tiere, die mich spontan an Birte erinnern.
    «Ich habe natürlich längst entschieden, wohin wir fahren», erklärt sie mir. «Jetzt muss ich es nur noch so aussehen lassen, als hätte dein Vater das Ziel bestimmt.»
    Tja, ich sehe schon: Vater ist in guten Händen. Und er ist beschäftigt. Er wird

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