Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
schwenkte Birte um. «Gut», sagte sie zu meinem grenzenlosen Erstaunen, «es gibt ja auch Wichtigeres, über das wir reden sollten.»
Ach wirklich?, dachte ich. Was könnte das sein? Etwa ihr Mann?
«Du solltest dich dafür aber lieber setzen.»
Mit anderen Worten: Es würde vermutlich anstrengend werden.
Erneut klopfte sie auf das Polster. Ich gab meinen Widerstand auf und ließ mich unwillig neben ihr auf das Sofa sinken, sprang allerdings sofort wieder auf, als sie mir ihre Hand auf das Knie legte.
Verwirrt blickte sie zu mir hoch. Zum Glück schien es aber etwas zu geben, das sie dringend loswerden wollte, denn statt eines bösen Kommentars sagte sie nur: «Ich habe gute Nachrichten.»
Sofort befürchtete ich das Schlimmste und überlegte, ob sie vielleicht schwanger sein könnte, aber nein, das war nicht möglich. Ich war ja nicht lebensmüde.
«Ich werde durch meine Scheidung viel Geld bekommen und möchte dieses investieren, Paul. In eine Klinik zum Beispiel.» Wieder leckte sie sich über die Lippen. «Wir könnten uns ein hübsches Fleckchen irgendwo auf der Welt aussuchen und dort unsere eigene Schönheitsklinik eröffnen. Mit dir als Chefarzt und mir als deiner persönlichen Assistentin.» Sie machte eine Pause und sah mich erwartungsvoll an. «Was sagst du?»
Die Art, wie sie
persönliche Assistentin
sagte, ließ mich erschaudern. Es klang, als hätte sie vor, diesen Job nackt anzutreten. Und wie um alles in der Welt kam sie nur darauf, bei ihrer Scheidung Geld zu erhalten? Laut den Angaben ihres Mannes tappte Birte doch vollkommen im Dunkeln, was sein Vermögen anbelangte.
Langsam wurde ich wieder etwas wacher. «Wieso bekommst du durch deine Scheidung Geld?», fragte ich unverblümt. «Ist dein Mann denn vermögend?» Gespannt hielt ich die Luft an.
Birte grinste schief. «Außerordentlich vermögend sogar», sagte sie und lehnte sich genüsslich im Polster zurück. «Er weiß nur nicht, dass ich es weiß.»
Herrje, dachte ich. Als wäre eine verrückte Familie am Tag nicht genug, wurde ich nun auch noch mit den Abgründen der Morgenroths konfrontiert.
«Ich weiß, das kommt jetzt alles ein bisschen plötzlich, aber
…
» Birte schürzte die Lippen. «Du wolltest ja vor deiner Abreise plötzlich nichts mehr von mir wissen. Vielleicht hättest du dir aber die ganze Reise sparen können.»
In diesem Moment sackte ich endgültig in die Kissen. Sie wusste schon vorher über alles Bescheid? Ihr Mann hätte mich folglich gar nicht erpressen können, weil Birte bereits alles in die Wege geleitet hatte, um seinen kriminellen Machenschaften zu trotzen?
Also, die beiden hatten sich verdient, so viel stand fest.
Aber selbst wenn ich von Birte in die ganze Sache eingeweiht gewesen wäre, wer hätte mir garantiert, dass ihr Mann meine unrechtmäßige Ehe nicht doch an Schümli verraten würde?
«Da du aber nicht mal mehr mit mir reden wolltest, musste ich leider deinen Vater über deine Bewerbung informieren. Bei ihm konnte ich mir sicher sein, dass er versuchen würde, dich zur Vernunft bringen.» Mit schlecht geschauspielerter Scham lächelte sie mich von der Seite an. «Ich konnte doch nicht riskieren, dass du in der Schweiz unterschreibst, ohne zu wissen, was ich dir alles bieten kann. Mit meinem Geld bekommst du deine eigene Klinik. Du bist sozusagen dein eigener Chef. Das wolltest du doch immer.»
Ja, da hatte sie recht. Allerdings wagte ich zu bezweifeln, dass ich ausgerechnet mit ihr an meiner Seite noch etwas zu sagen hätte. Nein, niemals würde ich mich auf diesen Deal einlassen, nicht mal wenn ich die Praxis meines Vaters nicht in Aussicht gestellt bekommen hätte.
Und das war der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich eine Entscheidung getroffen hatte. Ich würde Vaters Praxis übernehmen, sie umbauen und meine eigenen Anti-Aging-Räume eröffnen. Zwar nicht ohne fremdes Geld, aber ein Knebelkredit bei der Bank schien mir im Vergleich zu Birtes Angebot geradezu verlockend.
«Es tut mir leid», sagte ich daher, auch wenn das nicht ganz stimmte, «aber die Dinge haben sich bereits in eine andere Richtung entwickelt.»
Birtes Miene verdüsterte sich.
Schnell fügte ich hinzu: «Ich werde die Praxis meines Vaters übernehmen.»
Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch. «Wie bitte? Die Praxis vom Alten?» Übersprungartig kippte sie einen großen Schluck Wein hinunter. «Warum?»
«Mein Vater wird sich gesundheitsbedingt aus dem Geschäft zurückziehen», erklärte ich
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