Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
wirklich ausschließlich Kaffee zubereiten. Nichts sonst.
Die Verkäuferin sah mich bockig an. «Diese Maschine ist natürlich nur etwas für anspruchsvolle Kaffeeliebhaber. Sie bietet Trinkgenuss auf allerhöchstem Niveau. Dabei ist sie vielseitig», sie machte eine Pause und warf mir einen abschätzigen Blick zu, «und einfach in der Handhabung.»
Aha. Sofort wurde mir klar, was sie von mir hielt. Aber was sie nicht wissen konnte: Ich hatte diesen Monat bereits 1379 Schweizer Franken für ein Kleid und 595 Schweizer Franken für ein paar orthopädische Schuhe ausgegeben. Da war es möglicherweise ein kleines bisschen übertrieben, jetzt die nächsten 2000 Euro rauszuhauen. Zumal ich ja einen vorzeigbaren Kontostand brauche, um mir bei der Bank Geld für die Umbaumaßnahmen zu leihen.
Ich beschloss, mir doch erst einmal mit einem Kaffee Mut anzutrinken. Abschätzend ließ ich meinen Blick über das immer noch recht volle Café gleiten. Nein, dort war definitiv zu viel los. Ich wollte mich gerade abwenden, da entdeckte ich SIE .
Nella saß an einem der Tische, starrte zu mir rüber, und als sich unsere Blicke trafen, riss sie sich panisch die Speisekarte vor die Nase.
Du liebe Güte, dachte ich mir, was macht die denn hier? Musste sie nicht in ihrem Laden stehen und anderen Leuten Kleider aufschwatzen?
«Wissen Sie, wir sind hier auf höchste Ansprüche und professionelle Bedürfnisse ausgerichtet», erklärte die Verkäuferin leicht genervt. «Wenn Sie lieber etwas Günstigeres haben möchten, dann schauen Sie doch vielleicht mal bei Tchibo.»
Offenbar witterte sie in einem anderen Kunden fettere Beute, denn sie war bereits auf dem Sprung, als ich sagte: «Ich habe mich entschieden. Ich nehme diese hier. Die für 2290 Euro.»
Kurz wurde mir etwas schwindelig, doch dann fing ich mich wieder. Fakt war schließlich: Demnächst würde ich eine Praxis für ästhetische Gesichtsbehandlungen eröffnen. Was machte es denn da für einen Eindruck, wenn ich an der Kaffeemaschine sparte? Nein, das wäre albern.
Wennschon, dennschon, dachte ich und sammelte ein Regal weiter gleich noch ein paar passende Gläser dazu ein. Dann war meine Mission im Küchentempel erledigt.
Jedenfalls fast.
Nella saß immer noch stocksteif und mit hochrotem Gesicht im Café und trank ihren vermutlich zehnten Kaffee. Wenn ich es aus den Augenwinkeln recht beobachtete, kritzelte sie zwischendurch auch wieder in ihr komisches Buch.
Wie würde sie wohl reagieren, wenn ich sie anspräche?, fragte ich mich. Und was noch viel wichtiger war: Wie würde ich reagieren? Aber die entscheidende Frage war sicher: Was sollte ich überhaupt sagen?
Instinktiv zog ich die Schultern ein und schlich mit meinem Einkaufswagen so unauffällig wie möglich in Richtung Kasse. Nein, dies war nicht der richtige Augenblick für ein Zusammentreffen mit Nella. Zwar hatte ich bislang noch kein klares Szenario für ein Wiedersehen im Auge, aber inmitten von Schaumlöffeln würde mir gewiss nichts Schlaues einfallen, so viel stand fest.
Jetzt bin ich außer Sichtweite und schieße mit Überschallgeschwindigkeit zur Kasse, bezahle die überteuerte Luxuskaffeemaschine und renne, kaum dass ich draußen bin, zum Auto und hechte hinein.
Zwei Sekunden später hämmere ich mit dem Kopf gegen das Lenkrad. Was ist nur mit mir los? Bin ich wirklich gerade in geduckter Haltung quer durch einen hell erleuchteten Raum voller Leute geschlichen und habe gehofft, dabei nicht entdeckt zu werden? Muss ein derartiges Verhalten schon therapiert werden?
Wütend starte ich den Motor.
Beim Rückwärtsfahren fällt mein Blick auf eine Tüte, die auf der Rückbank liegt. Und plötzlich kommt mir eine Idee.
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30. Nella
Mittwochabend
23 Uhr 55 . Oh mein Gott, bin im Himmel! Dachte erst, ich hätte geträumt, aber das war nicht der Fall.
Zum Glück!
Kann immer noch nicht glauben, wie der Tag verlief. Heute Nachmittag bei
Cucinaria
sah nämlich alles zunächst noch nach Weltuntergang aus.
Nachdem Paul-Macchiato-Rosen mit seiner Kaffeemaschine die Flucht ergriffen hatte, fühlte ich mich plötzlich wieder schlecht und furchtbar einsam. Dass die Welt auf Hoffnung gebaut sein sollte, wollte mir nicht in den Kopf. Ich wusste auch gar nicht, worauf ich eigentlich hoffen sollte. Dass Paul an einer Kaffeebohnenvergiftung starb? Dass ich einen neuen, charakterlich gefestigten Mann finden würde, der Zuversicht und
Dior Homme
gleichermaßen verströmte?
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