Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
Bildschirm.
«Übrigens, dieses Mittel, das Sie bei Ihrem letzten Besuch dabeihatten», rede ich unbeirrt weiter auf ihn ein, «Sie wissen schon, das, von dem Sie sagten, es zeige hauptsächlich dann Wirkung, wenn man fest dran glaubt
…
»
Er nickt zum Zeichen, dass er mir zuhört.
«
…
das habe ich heute einer Patientin gegen ihre Flugangst mitgegeben. Mal sehen, wie fest sie daran glaubt.»
«Oh», macht Reinhold Schwarz und blickt kurz vom Monitor hoch. «Ist nicht gerade unser stärkstes Präparat. Inzwischen wurde die Rezeptur allerdings verbessert. Kann ich Ihnen gern beim nächsten Mal mitbringen.»
Nein danke, denke ich, während ich damit beginne, ein bisschen Ordnung im Raum zu schaffen. Das Zeug stand hier viel zu lange rum. Aber zum Glück bin ich es ja heute losgeworden.
«So, Doktor, alles erledigt. Ein Doppelzimmer, vier Nächte inklusive Frühstück, Wellnessbereich und Internet. Die Bestätigung erhalten Sie per Mail.»
Doppelzimmer? Entgeistert lasse ich mein Stethoskop sinken. Was soll ich denn bitte schön mit einem Doppelzimmer? Das wird ja immer teurer.
«Sagen Sie nichts, Doktor Rosen, ich weiß doch, woher der Wind weht. Ein junger Arzt wie Sie, noch dazu gutaussehend, der braucht doch ein Doppelbett. Jedenfalls in dieser Gegend in Genf. Sozusagen für alle Fälle.» Schwarz zwinkert mir zu.
Nun möchte ich weder knauserig erscheinen noch den Mythos von mir als attraktivem Arzt, der überall auf der Welt sein Doppelbett mit internationalen Topmodels teilt, zerstören. Denn darauf wollte Reinhold Schwarz ja wohl anspielen. Also lasse ich alles, wie es ist. Ich zucke nicht mal mit der Wimper, als zehn Minuten später die Bestätigungsmail mit der Rechnung eintrifft.
Zwar habe ich noch immer keine Ahnung, wofür ich ausgerechnet in diesem Hotel ein Doppelbett brauche, dennoch bin ich mit seiner Wahl zufrieden. Falls Professor Schümli mich dort besucht, sieht er, dass ich das moderne Understatement lebe. Nach außen bescheiden, innen mit Pfiff. Eine Preiskategorie, die signalisiert: Ich gönne mir was, aber ich protze nicht. Perfekt. Und sobald der Vertrag mit ihm unterschrieben ist, bezahle ich meine künftigen Hotelaufenthalte ohnehin aus der Portokasse.
Professor Dr. med. Matthias Schümli und ich lernten uns kennen, als wir – einen ermüdenden Vortrag über neue Krampfadertherapien schwänzend – in der Lobby eines Tagungshotels in Wiesbaden nach derselben Zeitung griffen. Vier Espressi später verabredeten wir uns zum Abendessen, und wiederum ein Fünf-Gänge-Menü danach stellte sich heraus, dass wir gemeinsame Bekannte haben: meinen Doktorvater, den er bereits während seines Studiums kennenlernte, und Dr. Rompel, in dessen Anti-Aging-Klinik ich meine Zusatzqualifikation erworben habe. So kam es, dass Schümli kurz darauf mit der Botschaft herausrückte, die mein Leben verändern sollte: Er sucht einen Partner für seine Genfer Klinik. Hierbei handelte es sich um eine Privatpraxis, in der er ein neues, übergreifendes Konzept der Anti-Aging-Medizin etablieren möchte. Ein Zusammenspiel aus moderner Hausarztpraxis mit präventivmedizinischem Schwerpunkt, einer angeschlossenen Chirurgie und einem dekorativen Fachbereich. Während Schümli sich komplett um den chirurgischen Bereich kümmern will, würde ich die Hausarztpraxis und den dekorativen Fachbereich leiten. Ein Job, der mir wie auf den Leib geschneidert ist.
Anfangs konnte ich kaum glauben, dass mir ein derart attraktives Angebot, das sich so perfekt mit meinen Vorstellungen deckt, direkt vor die Füße fällt, aber man muss eben auch mal Glück haben. Außerdem macht Schümli mit mir nun wirklich einen guten Fang. Vor allem auf dem Gebiet der nichtoperativen Gesichtsverjüngung bin ich einer der Besten. Ich kann mit Hyaloron so ziemlich jedes Gesicht zu einem Star-Antlitz modellieren, und den klassischen Hausarztbereich schaffe ich mit links nebenher.
Schümli gab uns beiden ein paar Tage Bedenkzeit, während deren er sich ausgiebig bei Dr. Rompel über meine ärztlichen Qualitäten erkundigte. So kam es mir jedenfalls später von Dr. Rompel zu Ohren. Natürlich habe ich ebenfalls Erkundigungen eingeholt. Doch je mehr Informationen ich über Schümli zu lesen bekam, umso sicherer wurde ich mir in meiner Entscheidung. Dieser Job scheint mir das Beste, das mir auf absehbare Zeit passieren wird.
«Rosenstrauccch!», polterte Schümli, als wir nach meiner Zusage telefonierten. «Wir sind füreinander
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