Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
«nein, da bin ich mir ganz sicher, Dr. Rosen. Oh, die Croissants sind aber lecker, nicht?» Lautes Schmatzen begleitet seine Frage.
Nella und ich bleiben stumm.
«Also gut. Ich sehe schon, Sie sind ungeduldig, Dr. Rosen. Dann werde ich mal zur Sache kommen.»
«Wirklich, das wäre zu freundlich von Ihnen», knurre ich, und da ich gerade mal nicht stottern muss, presse ich noch ein «Und dann verschwinden Sie am besten wieder!» hinterher.
Zwei Sekunden später wünschte ich allerdings, ich hätte ihn nicht zum Reden aufgefordert. Sondern besser zum Gehen. Oder ich hätte die Idee mit der Milz in die Tat umgesetzt.
Seelenruhig schiebt sich der Schleimbolzen das letzte Stück Croissant in den Mund. Dann wischt er sich die Hände an der Tischdecke ab und beugt sich verschwörerisch vor. «Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen», erklärt er unerwartet höflich. «Mein Name ist Morgenroth. Bernd Morgenroth.»
Habe ich richtig gehört? Bernd Morgenroth, Birtes Mann? Hätte ich sie heute Morgen vielleicht doch energischer nach dem Grund ihres Anrufs fragen sollen? Eventuell wollte sie mich ja warnen?
Ohne aufzustehen, hält der Typ Nella seine Riesenpranke vor die Nase. Da sie nicht reagiert, schwenkt er in meine Richtung. Aber auch ich ergreife die Hand nicht. Gerade mal ein knappes «Mich kennen Sie ja bereits» kann ich mir abringen. Plötzlich fühle ich Übelkeit in mir aufsteigen.
«Oh, ja!», sagt Bernd Morgenroth, und sein Gesicht erhellt sich. «Natürlich kenne ich Sie. Allerdings nur vom Hörensagen. Sie sind der Doktor, der mit seiner Arzthelferin schläft. Also mit
meiner
Frau.»
Man könnte sagen, plötzlich liegt eine Stimmung in der Luft, die mit gespenstisch nur unzureichend beschrieben wäre. Genau genommen ist sie vergleichbar mit dem Film
Der blutige Albtraum beginnt.
Nella lässt geräuschvoll ihr Messer auf den Teller krachen, und ich verbrühe mir vor Schreck die Zunge am Kaffee.
Nur Bernd Morgenroth ist weiterhin gut aufgelegt. Kumpelhaft winkt er den Kellner zu sich heran. «Bringen Sie mir doch bitte auch ein paar Brötchen und einen Teller. Unser Gespräch wird voraussichtlich noch etwas länger dauern.»
Der Kellner sieht mich fragend an, und ich nicke mechanisch. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich mit meiner Zunge, die sich anfühlt, als bestünde sie aus rohem Fleisch, nichts sagen. Vorsichtig blicke ich zu Nella, auf deren Stirn sich eine Zornesfalte gebildet hat. Nicht schön. Könnte ich ihr aber eines Tages wegspritzen.
«Wissen Sie», frohlockt der Mann meiner Arzthelferin mit vollem Mund, «glauben Sie nicht, ich hätte das erst jetzt bemerkt.» Dann bedient er sich an meinem Kaffeekännchen. «Das war ja nun wirklich nicht zu übersehen. Allerdings habe ich erst seit zwei Tagen Gewissheit.» Er grinst. «Offenbar sind Sie ganz gut im Bett, Dr. Rosen. Meine Frau war jedenfalls immer wie ausgewechselt, wenn sie von Ihnen kam.»
Ich glaube, es gibt auch noch einen zweiten Teil von dem Filmschocker:
Der blutige Albtraum geht weiter.
Aber sicher bin ich mir da nicht.
Die Zornesfalte auf Nellas Stirn ist inzwischen zu einem Krater geworden, und in ihren Augen lodert das Feuer. Dummerweise hat sie dabei nicht Bernd Morgenroth im Visier, sondern mich.
Ich versuche zu retten, was noch zu retten ist. «Also, ich glaube ja immer noch, dass Sie mich verwechseln.»
Eventuell klang das nicht ganz so zuversichtlich wie beabsichtigt, denn an Nellas Gesichtsausdruck ändert sich nichts. Und der Schnauzbärtige muss sogar lachen.
«Netter Versuch, Dr. Rosen.» Er schüttelt den Kopf. «Ich kann natürlich verstehen, dass Ihnen das vor Ihrer neuen Freundin hier unangenehm ist.» Er macht einen bedauernden Gesichtsausdruck, als er sich Nella zuwendet. «Vielleicht wollen Sie lieber rausgehen, Kindchen? Dies ist nämlich eigentlich ein Gespräch unter Männern.»
Na, das fällt ihm ja früh ein.
Aber wie es zu erwarten war, rührt Nella sich nicht. Mir hingegen reißt der Geduldsfaden.
«Was? Wollen? Sie?!?», belle ich, so deutlich es meine rohe Zunge zulässt.
«Ach ja. Gut, dass Sie das ansprechen, Dr. Rosen.» Bernd Morgenroth gurgelt kurz mit dem Kaffee und schluckt ihn dann geräuschvoll hinunter. «Folgendes: Meine Frau war gelinde gesagt ein Drachen früher. Sie kennen das ja vielleicht. Alles musste nach ihrer Nase gehen. Ständig wurde gemeckert, genörgelt, rumgezickt. Sie führte ein Regiment wie ein russischer General.»
Ja, kein Zweifel. Er spricht
Weitere Kostenlose Bücher