Die naechste Frau
Stationszimmer. Eine fremde Frau saß über den Dokumentenwagen gebeugt und las in einer offenen Bewohnerakte.
„Guten Morgen, ich bin Frau Breitenbach, die Einrichtungsleitung“, stellte sie Alex vor.
Die fremde Frau blickte auf, lächelte sie an und erwiderte:
„Guten Morgen, Krause, vom MDK Menden, wir führen heute eine Prüfung durch, in Ihrem Haus.“
„Wo sind Ihre Kollegen?“
„Bei der Bewohner-Visite.“
„Ich hatte ausdrücklich gesagt, dass ich da dabei sein möchte.“
Frau Krause zuckte nur mit den Schultern, nannte ihr aber drei Namen von Bewohnern im unteren Wohnbereich, die ausgewählt worden waren.
„Mit wem haben Sie angefangen?“, fragte Alex knapp. Sie spürte bereits jetzt Unmut in sich hochsteigen.
„Ihre Pflegedienstleitung wird ein grünes Licht gesetzt haben, schätze ich mal.“
Alex verließ sie, bevor sie unhöflich werden würde, suchte auf dem Flur nach einem grünen Licht, fand es, klopfte an und trat ein. Sie erkannte Jasmin und einen unbekannten Mann mittleren Alters, der Jasmin ein paar Sachen zu der Bewohnerin fragte, die im Bett lag und offensichtlich schlief.
Es handelte sich um eine Patientin mit der Pflegestufe drei. Sie bekam ihr Essen mithilfe einer Magensonde, das Trinken ebenso. Alle zwei Stunden wurde sie im Bett gedreht, bei guter Tagesform in den Pflegesessel mobilisiert, der jetzt neben dem Bett stand.
Der Mann hatte Alex’ Ankunft registriert, nickte ihr nur kurz zu, um sich dann der Bewohnerin zuzuwenden. Er trat zu ihr ans Pflegebett.
„Dann wollen wir doch mal sehen, wie gut sie versorgt sind“, sagte er und zog ihr mit einem Ruck die Bettdecke weg.
Die alte Frau erschrak, zuckte zusammen.
Alex verschlug es die Sprache.
„Das hatten wir aber auch mal anders gelernt, oder?“ Ihre Stimme klang schneidend. Sie ging einen Schritt auf ihn zu. Jasmin hielt sich dezent im Hintergrund. Der Mann sah sie fragend an.
„Wer sind Sie denn?“
„Breitenbach“, stellte sich Alex knapp vor, „ich bin die Einrichtungsleitung. Und ich empfehle Ihnen, sich in meinem Haus anständig aufzuführen. Vor allen Dingen werden Sie die Untersuchung meiner Bewohner mit aller Höflichkeit ausführen, wie wir es in der Pflege gelernt haben. Haben Sie mich da verstanden?“
Alex ging nicht auf seine weiteren Ausführungen ein, sondern nahm Jasmin die Bewohnerakte ab, suchte die Nummer der Angehörigen, tippte sie in ihr Handy.
Sie hatte Glück, die Tochter war zu Hause.
„Einen schönen guten Morgen, Frau Hildebrandt. Ich rufe Sie an, weil Ihre Mutter soeben vom Medizinischen Dienst der Kassen kontrolliert wird. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Sie darüber informiert worden sind? ... Nein? Das wundert mich aber …Gut, dann werde ich das weitere Vorgehen stoppen, bis Sie da sind. Gerne. Auf Wiederhören.“ Lächelnd wandte sie sich an den Gutachter des MDK Menden.
„Frau Hildebrandt, die Tochter und Generalbevollmächtigte ihrer Mutter, wünscht nicht, dass Sie die weitere Untersuchung ohne ihr Beisein vornehmen. Sie werden sich also gedulden müssen, bis sie da ist. Vielleicht können wir solange mit dem nächsten Bewohner fortfahren?“
„Was?“
„Außerdem haben Sie sich mir gegenüber noch nicht vorgestellt, Herr …“
„Mein Name ist Bauer, vom MDK“, giftete er sie an. „Sie werden hier nicht unsere Kontrolle boykottieren.“
Alex strahlte. „Ich werde nichts boykottieren, das würde mir nie in den Sinn kommen.“ Ihre Stimme wurde einen Tick leiser und eindringlicher: „Aber ich rate Ihnen, sich in meinem Haus anständig zu verhalten.“ Dann wandte sie sich wieder an Jasmin.
„Rufen Sie bitte die Angehörigen der anderen Bewohner an, die von der Visite heute betroffen sind. Auch die vom oberen Wohnbereich. Ich werde diesen Herrn hier gerne weiterhin begleiten.“
Jasmin verschwand mit einem knappen Nicken.
„Auf zum Nächsten?“, fragte Alex.
Herr Bauer ging ein paar Zimmer weiter, las sich die Akte durch, bevor er ohne Anzuklopfen das Zimmer betreten wollte.
„Bei uns wird angeklopft.“
„Wollen Sie mich eigentlich nerven?“
„Wollten Sie sich nicht endlich zusammenreißen?“
Sie standen sich gegenüber und sahen sich mit giftigen Blicken an. Alex würde sich von solch einem Dilettanten nicht einschüchtern lassen, nahm sie sich vor.
Ausgerechnet da kam die Hausärztin noch ins Spiel – Sabine Geiger trat hinzu. „Guten Morgen, Alex. Was ist denn bei euch heute los? So eine Aufregung.“
Alex kam nicht dazu zu
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