Die Nächte der Aphrodite
verarbeiten, andererseits war da die Erinnerung an Troy, die sie einfach nicht abschütteln konnte.
Sandrine half ihr aus dem Kleid, flocht ihr das Haar für die Nacht und schlug die Bettdecke zurück. »Soll ich die Kerze brennen lassen?«, fragte sie, nachdem sie ihr das Nachthemd übergestreift hatte.
»Nein, das ist nicht nötig.« Die Schatten würden ihr größere Angst machen als die völlige Dunkelheit.
Sandrine knickste und blies die letzte Kerze aus. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Elaine war alleine. Sie drehte sich auf den Seidenlaken herum, um eine angenehme Lage zu finden, und arrangierte die Kissen immer wieder neu. Dennoch wollte sich der Schlaf nicht einstellen.
Zur gleichen Zeit streckte sich Vincent auf den Laken aus und genoss die glatte Seide auf seinem nackten Körper. Er blies die Kerze auf dem Nachtkästchen aus und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Die weiche Daunendecke schmiegte sich an ihn, und er seufzte wohlig. Alles war viel einfacher gewesen, als er gedacht hatte. Er war hier, im Palast des Herzogs, nur ein paar Zimmer von ihm entfernt. Man glaubte ihm, dass er sein Gedächtnis verloren hatte. Man hatte Mitleid mit ihm. Man hatte ihn aufs Beste untergebracht. Keiner würde seine Anwesenheit hier in Frage stellen, es hatte sich alles ganz selbstverständlich ergeben.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Genau wie er es geplant hatte. Die einfachsten Ideen waren ja doch die besten. Jetzt musste er nur mehr auf einen günstigen Moment warten, um auch den Rest seines Planes in die Tat umsetzen zu können. Aber das bekümmerte ihn nicht. Er war ein geduldiger Mann.
14
Nach dem Frühstück, das ihr Sandrine aufs Zimmer brachte, zog Elaine das Kleid an, mit dem sie hergekommen war, und fragte die Zofe, ob sie den Herzog sprechen könnte.
»Natürlich, ich bringe Euch zu ihm«, erklärte Sandrine bereitwillig. Sie geleitete Elaine durch die Gänge und über zahlreiche Treppen zu einem Seiteneingang des Palastes. Von dort führte ein schmaler, kiesbestreuter Weg zu einem von wucherndem Efeu teilweise verdeckten gläsernen Gewächshaus. Sandrine öffnete die Tür für Elaine und zog sich dann zurück.
Die Luft im Inneren legte sich wie ein schwerer, feuchtheißer Schleier über sie. Links und rechts des mit Schieferplatten ausgelegten Weges standen Tongefäße mit Pflanzen in allen Größen und Formen. Sogar von den Längsstreben hingen Töpfe. Es roch nach Erde und Moos und unbekannten Düften. Elaine musste die Röcke eng an sich raffen, um zwischen all den Gewächsen voranzukommen. Sie konnte sich nicht vorstellen, den Herzog hier zu finden.
Der Weg führte schließlich zu einem freien Platz unter einer hohen Kuppel, wo einige zierliche Bänke und Tischchen zum Verweilen einluden. Ein schriller Schrei, der im Gewächshaus hallte, ließ Elaine herumfahren. Auf einem hölzernen Balken hockte ein großer roter Vogel mit gelben und grünen Schwanzfedern. Er starrte sie aus kleinen Knopfaugen an und öffnete den seltsamen Schnabel zu einem weiteren Schrei, bei dem seine kleine, dicke Zunge sichtbar wurde. Gebannt betrachtete Elaine das Tier. So einen Vogel hatte sie noch nie gesehen. Über ihr ertönte ein Rauschen, und sie zog instinktiv den Kopf ein, als ein zweiter Vogel über sie hinwegflog und auf der Stange neben dem ersten landete. Er war von der gleichen Art, allerdings leuchtete sein Gefieder blau. Auch er betrachtete Elaine mit einer Art neugieriger Arroganz, ehe er sich der Federpflege widmete.
Mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie weiter. Vom Herzog war weiterhin nichts zu sehen. Sie wollte schon aufgeben und zurückgehen, als sie einen Gärtner an einem der Arbeitstische stehen sah.
»Guter Mann, ich suche den Herzog, könn ...« Sie brach ab, denn etwas an der Bewegung, mit der er sich zu ihr umdrehte, kam ihr vertraut vor.
»Mademoiselle Callière, wie habt Ihr Eure erste Nacht auf Belletoile verbracht?«
Sprachlos starrte Elaine ihr Gegenüber an. Der Mann vor ihr hatte kurzgeschorenes Haar und trug ein einfaches Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Um die Taille hatte er eine braune Schürze gebunden, die bis zu seinen hölzernen Sabots reichte. Und seine Hände ... diese langfingrigen, sonst mit Ringen geschmückten Hände ... wühlten in feuchter Erde.
Nur mit Mühe schaffte sie es, ihre Mimik unter Kontrolle zu halten. »Euer ... Gnaden.« Ihre Stimme verriet sie, und auf den Zügen des Herzogs breitete sich unübersehbare Erheiterung
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