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Die Nächte der Aphrodite

Die Nächte der Aphrodite

Titel: Die Nächte der Aphrodite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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Pulsieren der Ader in der Halsgrube verriet, dass sie am Leben war. Erleichtert wollte Henri sie hochheben, als er hörte, wie der Riegel der Zwingertür ins Schloss geschoben wurde. Er fuhr herum, konnte aber niemanden entdecken. Im gleichen Moment zerriss das dumpfe Brüllen des Tigers die Stille.
    Er stand zehn Schritt von ihm entfernt in der hochgezogenen Klappe des Winterhauses. Henri wagte nicht zu atmen, als die Raubkatze den Kopf zurückwarf und wieder brüllte. Die Klappe fiel herunter, und Sahib machte unwillig einen Schritt in die Mitte des Zwingers.
    Henri packte Elaine unter den Achseln und schleifte sie zur nächsten Wand, ohne dabei den Tiger aus den Augen zu lassen. Mittlerweile war ihm klar, dass er in eine Falle getappt war. In eine Falle, die nicht nur ihn, sondern auch Elaine das Leben kosten konnte. Er stellte sich vor sie, aber Sahib machte glücklicherweise keine Anstalten, näher zu kommen. Er schüttelte den mächtigen Kopf und streckte sich auf dem Boden aus, um die Eindringlinge aus bernsteinfarbenen Augen anzustarren.
    Henri überlegte, ob er es wagen sollte, langsam, sehr, sehr langsam zu der verriegelten Zwingertür zu gehen. Er konnte mit der Hand durch die Gitterstangen fassen und den Riegel beiseite schieben. Die Frage war nur, ob Sahib ihn das tun lassen würde. Im Augenblick sah er zwar sehr ruhig aus, aber das konnte sich schnell ändern. Henri versuchte noch einmal, Elaine hochzuheben, aber das markerschütternde Brüllen des Tigers ließ ihn herumfahren.
    Jemand stand vor dem Käfig und stieß mit einer langen Stange auf den Tiger ein, der vor Schmerz wieder laut aufbrüllte. Henri wollte seinen Augen nicht trauen, als er den Mann erkannte. »Bernard«, murmelte er fassungslos. »Bernard, hör auf, du bringst ihn in Rage«, rief er dann laut. »Zieh die Klappe hoch, damit er ins Winterhaus geht. Dann kann ich die Zwingertür öffnen und Elaine in Sicherheit bringen.«
    »Sehr wohl, Euer Gnaden«, erwiderte Bernard, ohne sein Tun zu unterbrechen. Der Tiger warf sich wütend gegen die Gitterstäbe, hinter denen Bernard stand. »Euer Wunsch ist mir Befehl. Wie immer, Euer Gnaden.« Er stieß die Stange in die Flanke des Tigers, der sich aufbäumte und mit der Pranke dagegenschlug.
    Henris Verstand weigerte sich, die Wahrheit zu begreifen. Doch daran gab es nichts zu rütteln. Bernard war für die Anschläge verantwortlich. Bernard hatte den Leuchter herabstürzen lassen. Bernard hatte den Sattelgurt durchgeschnitten. Und jetzt wollte Bernard den Tiger dazu bringen, ihn in tausend Stücke zu reißen. Aber warum? Warum nur?
    »Warum willst du mich töten, Bernard?«, schrie er mit vor Hilflosigkeit geballten Fäusten. »Was habe ich dir getan?«
    »Was Ihr mir getan habt, Euer Gnaden?«, wiederholte Bernard und trieb den Tiger ein Stück weiter zu Henri. »Ihr habt mir das Wichtigste in meinem Leben genommen.«
    Henri hatte keine Ahnung, wovon der Mann sprach. Er atmete tief durch, und sagte dann mit ruhiger, fester Stimme: »Bernard, wenn ich dir Schaden zugefügt habe, werde ich es wieder gutmachen. Wir können über alles reden.«
    »Reden!« Bernard lachte bitter auf. »Im Reden seid Ihr unübertroffen, Euer Gnaden. Aber Amélie bringen keine schönen Worte zurück.«
    Amélie. Darum ging es also. Aber wie kam der Mann nur auf die Idee, dass er etwas mit Amélies Tod zu tun haben könnte?
    »Bernard«, sagte er vorsichtig. »Ich habe Amélie nichts getan. Ich mache mir nichts aus Frauen, das weißt du doch.«
    Ohne damit aufzuhören, den Tiger zu reizen, erwiderte Bernard: »Das weiß ich, aber Ihr bringt diese parfümierten Schweine hierher, damit sie ihre unnatürlichen Triebe stillen. Euer Vater würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, was Ihr aus Belletoile gemacht habt.«
    »Mein Vater starb auf einem sechzehnjährigen Küchenmädchen«, stellte Henri schneidend fest. Natürlich war die Affäre vertuscht worden, aber er verstand bis heute nicht, warum sein Vater im Ruf stand, ein Heiliger gewesen zu sein. »Er hatte sie an einen Bettpfosten gefesselt und ihr den Mund zugebunden. In seinem geheimen Zimmer. Man fand sie erst nach vier Tagen. Diese Zeit reichte, um sie den Verstand verlieren zu lassen. Bernard, ich habe Amélie nichts getan«, wiederholte er eindringlich.
    »Oh doch, Ihr habt diesen Unrat in Menschengestalt auf Belletoile gebracht. Habt Ihr wirklich geglaubt, sie würden sich mit ihresgleichen begnügen? Amélie war ein junges, naives Mädchen, das lauter

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