Die Naechte der Venus
Tribates. Aber das Essen war an der Stirnseite reichlicher, deshalb hatte er den Platz nicht ausgeschlagen.
Stöhnend erhob er sich. Die vielen Schrammen und Schnitte des letzten Kampfes machten ihm noch zu schaffen.
Widar und Drusus waren nach Tribates die letzten, die den Hof erreichten. Sie stellten sich in einer Ecke in den Schatten, denn trotz der frühen Morgenstunde brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel. Unter gesenkten Wimpern hervor musterte Widar die vor ihm stehenden Gladiatoren und das Rednerpult, das nahe beim Eingang aufgebaut worden war. Rechts und links davon hatten die lanistae sich aufgestellt. Die Gladiatoren waren wie immer von Wachen mit Peitschen und Lanzen umringt. Vor anderen hätte er es nie zugegeben, aber er war neugierig.
»Mir scheint, wir bekommen hohen Besuch, aber ich kann den procurator nicht entdecken«, flüsterte ihm Drusus zu.
Widar reagierte nicht. Der procurator war ihm egal, aber etwas anderes an Drusus Worten hatte ihm einen Stoß versetzt. Hoher Besuch – und der Ludus Magnus gehörte dem römischen Imperator. Sollten die Götter ein Einsehen haben und ihm eine Möglichkeit der Rache verschaffen? Unauffällig schaute er sich nach einer Waffe um. Wenn er einer Wache den Speer entriss und ihn mit aller Kraft über die Köpfe der anderen hinwegschleuderte, sollte das den Imperator töten. Der würde auf dem Rednerpult wie eine Zielscheibe stehen.
»Wer kommt, der Imperator?«, raunte er Drusus zu.
»Bestimmt nicht. Ich bin seit vier Jahren hier, und der ist noch nie gekommen.«
Vielleicht war es heute so weit. Widar verlor die Hoffnung nicht.
»Ruhe!«, schrie ein Ausbilder die Gladiatoren an, obwohl die so ruhig waren, wie es eine so große Menschenmenge nur sein konnte. Einige Soldaten schlugen mit den Schäften ihrer Speere nach den Wartenden.
Eine mit Händen zu greifende Spannung lag in der Luft, als ein kleiner, hagerer Mann auf die Rednertribüne zuhinkte. Er war in Begleitung des obersten Ausbilders – ein muskulöser stiernackiger Kerl – dem es sich sichtlich schwerfiel, sich den hinkenden Schritten anzupassen. Er musste den Kleinen sogar am Ellenbogen stützen, als der die Tribüne erklomm. Dieser trug eine Art Uniform, viel prächtiger als die der Wachen in der Schule, mit goldenen Verzierungen auf dem Brustpanzer. Nur einmal hatte Widar bisher jemanden in so einer Uniform gesehen, als er nach seiner Gefangennahme dem General der römischen Truppen vorgeführt wurde.
»Ich bin Varus Tullius Janarius und ab sofort der neue procurator dieser Schule. Unser Dominus et Deus hat mich ernannt.«
Diese Worte lösten bei Widar Enttäuschung, bei den anderen Gladiatoren Unruhe aus. Keiner trauerte Septimus Aelius hinterher, aber sie hatten wenigstens gewusst, was von ihm zu halten war. Von dem Neuen hingegen ... Sie scharrten mit den Füßen, einige steckten auch die Köpfe zusammen und tauschten flüsternd Vermutungen aus.
Drusus konnte natürlich auch den Mund nicht halten. »Der sieht aus, als hätte er keine Freude am Leben.«
»Mir egal.« Widar zuckte mit den Schultern. Die unbedachte Bewegung jagte einen Schmerz über seinen Rücken.
»Ich erwarte von euch, dass ihr hart trainiert. Persönlich werde ich darüber wachen und jeden bestrafen, der sich widersetzt. Diese Schule wird zur Eliteschule im Imperium werden. Nachlässigkeiten werde ich nicht dulden.«
»Dem stinkt der Schleifer aus jeder Körperöffnung«, murrte Drusus.
»War er bei der Armee?«
Diesmal konnte sich Widar eine Entgegnung nicht verkneifen. Sein Vater hatte seine Männer mit Strenge, Respekt, aber auch Freundlichkeit geführt. Genauso hatte er es auch tun wollen. Die Männer mussten ihren Anführer lieben und für ihn freiwillig ihr Leben geben, anders konnte man kein Herrscher sein, aber bei den Römern war alles anders.
»Darauf verwette ich mein Leben, und seine Männer haben ihn gehasst.«
»Wie kann er dann eine gute Armee haben?«
»Die Römer brauchen keine gute Armee, solange sie eine so große haben.«
»Das wird sich ändern.«
»Wir werden es nicht mehr erleben.«
»Ruhe!« Eine Wache stieß Widar das stumpfe Ende seines Speers in den Oberschenkel.
Auf der Tribüne hatte Varus Tullius Janarius weitergeredet. Er ließ sich inzwischen darüber aus, wie er sich den Tagesablauf der Gladiatoren vorstellte. Sie würden kaum noch Zeit zum Luftholen haben. Morgens sollten sie früher aufstehen und noch vor dem Frühstück eine erste Trainingseinheit über sich
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