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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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klinisch nüchterne Halle, in der jetzt am Vormittag kaum jemand unterwegs war. Dadurch konnte er alles leicht im Auge behalten und würde auffällige Personen sofort erkennen. Er hatte sämtliche Antennen ausgefahren und bewegte sich unter Hochspannung. Außer Nancy wusste niemand, was er vorhatte, aber er fühlte sich trotzdem, als hätte er ein Schild um den Hals hängen, auf dem ›verdächtig‹ stand. Die Passagiere am Check-in-Schalter wirkten wie ganz normale Reisende. Neben einem Geldautomaten auf der anderen Seite der Halle unterhielten sich zwei Cops in Uniform. Er musste noch eine Stunde Zeit totschlagen; er würde sich etwas zu essen und ein Taschenbuch besorgen. Sobald er in der Luft war, konnte er sich ein paar Stunden entspannen, es sei denn, Darla war auf seinem Flug eingesetzt, dann würde er sich vermutlich entscheiden müssen, ob er Nancy betrügen wollte. Zumindest war er ziemlich sicher, dass er sich an den Spruch »Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas« halten würde. Er hatte eine ganze Weile nicht mehr an die große Blondine gedacht, aber jetzt ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Für so ein üppiges Mädchen war ihre Wäsche geradezu winzig.
    Dann fiel ihm auf, dass Mary ihn hinhielt. Sie schob ein paar Papiere vor sich herum und starrte erschrocken auf ihren Monitor.
    »Alles okay?«, fragte er.
    »Ja. Der Computer ist hängengeblieben. Es geht gleich weiter.«
    Die Cops bei dem Geldautomaten sahen zu ihm herüber und sprachen in ihre Funkgeräte.
    Will schnappte sich seine Ausweise vom Schalter. »Mary, wir erledigen das später. Ich muss mal zur Toilette.«
    »Aber …«
    Er rannte los. Die Cops waren gut sechzig Meter entfernt, und der Boden war glatt. Will stürmte geradeaus zur Tür und war innerhalb von drei Sekunden aus dem Gebäude. Er sah sich nicht um. Er hatte nur eine Chance, wenn er schneller rannte und schneller dachte als die Cops, die ihn verfolgten. Ein schwarzes Taxi setzte einen Fahrgast ab. Der Fahrer wollte gerade wieder losfahren, als Will die hintere Tür aufriss, hineinsprang und seine Reisetasche auf den Sitz warf.
    »Hey. Ich darf Sie hier nicht mitnehmen!« Der Fahrer war um die sechzig und sprach mit russischem Akzent.
    »Ist schon okay!«, sagte Will. »Ich bin Special Agent.« Er zückte seine Dienstmarke. »Fahren Sie los. Bitte.«
    Der Fahrer murmelte irgendwas auf Russisch vor sich hin, gab aber Gas. Will tat so, als suchte er in seiner Tasche herum, und hielt den Kopf außer Sicht. In der Ferne hörte er Rufe. Hatten sie ihn erkannt? Hatten sie die Autonummer? Sein Herz raste.
    »Ich könnte gefeuert werden«, sagte der Fahrer.
    »Tut mir leid. Ich bin im Dienst.«
    »FBI?«, fragte der Russe.
    »Ja, Sir.«
    »Ich hab einen Sohn in Afghanistan. Wo wollen Sie hin?«
    Will ging rasch sämtliche Möglichkeiten durch. »Zum Marine Air Terminal.«
    »Nur auf die andere Seite vom Flughafen?«
    »Ja, nur dorthin.« Er stellte sein Handy ab, warf es in seine Tasche und tauschte es gegen das sperrigere Prepaid-Handy.
    Der Fahrer wollte für seinen Dienst am Vaterland kein Geld nehmen. Will stieg aus und sah sich um: der Augenblick der Wahrheit. Alles wirkte normal, keine Blaulichter, keine Verfolger. Er ging sofort zum Taxistand vor dem Terminal und setzte sich in einen der gelben Wagen. Als der Fahrer losfuhr, rief er über das Prepaid-Handy Nancy an und schilderte ihr die Situation. In aller Eile entwickelten sie einen Notfallplan.
    Will ging davon aus, dass zu seiner Verfolgung alle Mittel und Möglichkeiten aufgeboten wurden, also wechselte er mehrmals die Verkehrsmittel und bewegte sich im Zickzack. Er ließ sich von dem Taxi am Queens Boulevard absetzen, wo er bei einer Chase Bank ein paar tausend Dollar von seinem Konto abhob. Dann hielt er ein weiteres Taxi an: Seine nächste Station war die 125 th Street in Manhattan, von wo aus er in einem Pendlerzug der Metro North nach White Plains fuhr.
    Es war inzwischen früher Nachmittag, und Will bekam Hunger. Der Regen hatte aufgehört, und die Luft war frischer und angenehmer als zuvor. Weil der Himmel aufklarte und seine Tasche nicht schwer war, machte er sich zu Fuß auf die Suche nach etwas Essbarem. An der Mamaroneck Avenue entdeckte er ein kleines italienisches Restaurant, zog sich an einen Tisch abseits des Fensters zurück und gönnte sich ein üppiges Dreigängemenü. Als die Lasagne kam, verkniff er sich ein drittes Bier und stieg auf Soda um. Nach dem Essen zahlte er in bar, stellte seinen Gürtel

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