Die Namen der Toten
zerlegte er gekonnt die Waffe, warf sie in eine Reisetasche und verließ das Zimmer im elften Stock des Hotels, das einen herrlichen Blick auf den makellos gepflegten Golfplatz bot.
Als sie wieder in ihrer Suite waren, wollte Kerry mit ihm schlafen, doch Mark war nicht danach. Er entschuldigte sich, gab der Sonne die Schuld und verzog sich unter die Dusche. Sie redete durch die Tür hindurch weiter auf ihn ein, viel zu aufgeregt zum Schweigen, und er drehte die Dusche voll auf, um sein Weinen zu übertönen.
Die Maklerin hatte Kerry erzählt, das Cut, das Restaurant in ihrem Hotel, sei todschick. Bei diesem Wort war Mark unwillkürlich zusammengezuckt. Als Kerry darum bat, dort zu Abend zu essen, erfüllte er ihr auch diesen Wunsch, obwohl er sich am liebsten im Zimmer verkrochen hätte.
Sie sah atemberaubend aus in ihrem roten Kleid, und als sie in das Restaurant kamen, drehten sich die Leute um, weil sie Kerry auf den ersten Blick für eine Prominente gehalten hatten. Mark hatte seinen Aktenkoffer dabei, sodass es wirkte, als träfe sich eine Schauspielerin mit ihrem Agenten oder Anwalt. Dieser dürre Kerl war mit Sicherheit zu hässlich, um ihr Lebensgefährte sein zu können, es sei denn natürlich, er war stinkreich.
Sie bekamen einen Tisch am Fenster, unter einem großen Oberlicht, durch das beim Nachtisch Mondschein in den Raum fallen würde.
Sie wollte über nichts anderes als das Haus reden. Es war ein Traum, der wahr geworden war – nein, mehr als das, erklärte sie, denn sie hätte sich niemals träumen lassen, dass es so ein Haus gab. Es lag so hoch am Berg, dass man sich fühlte wie in einem Raumschiff, wie in dem Ufo, das sie als kleines Mädchen gesehen hatte. Wie ein Kind bombardierte sie ihn mit Fragen: Wann würde er seinen Job kündigen, wann würden sie umziehen, was für Möbel sollten sie kaufen, wann sollte sie mit dem Schauspielunterricht anfangen, wann würde er wieder mit dem Schreiben anfangen? Er quittierte die meisten Fragen mit einem Schulterzucken oder gab einsilbige Antworten und starrte aus dem Fenster, wenn sie im nächsten Moment schon wieder anfing, laut nachzudenken.
Plötzlich verstummte sie, sodass er aufblickte. »Wieso bist du so bedrückt?«, fragte sie.
»Bin ich nicht.«
»Doch, bist du.«
»Nein, bin ich nicht.«
Sie wirkte nicht überzeugt, ließ es ihm aber durchgehen und sagte: »Tja, ich bin glücklich. Das ist der schönste Tag in meinem ganzen Leben. Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte, wäre ich – na ja, dann wäre ich gar nicht hier! Danke, Mark Shackleton.«
Sie warf ihm einen koketten Handkuss zu, der ihn zum Lächeln brachte. »Schon besser«, gurrte sie.
Da klingelte das Telefon in ihrer Handtasche.
»Dein Telefon!«, sagte er. »Warum ist es an?« Sie erschrak angesichts seiner panischen Miene.
»Gina hat eine Nummer gebraucht, falls man unser Angebot annimmt.« Sie tastete nach dem Handy. »Wahrscheinlich ist sie das!«
»Wie lange ist es schon an?«, ächzte er.
»Ich weiß nicht genau. Ein paar Stunden. Keine Sorge, der Akku tut’s noch.« Sie drückte auf die Sprechtaste. »Hallo?«
Gleich darauf wirkte sie enttäuscht und überrascht. »Es ist für dich!«, sagte sie und reichte ihm das Telefon.
Mark atmete tief ein und hielt das Handy ans Ohr. Er hörte eine Männerstimme, sie klang gebieterisch und unbarmherzig. »Hören Sie mir gut zu, Shackleton. Hier spricht Malcolm Frazier. Ich möchte, dass Sie das Restaurant verlassen, wieder auf Ihr Zimmer gehen und warten, bis die Überwacher Sie abholen. Ich bin davon überzeugt, dass Sie in der Datenbank nachgesehen haben. Heute ist nicht Ihr Todestag. Es war Nelson Elders Tag, und er ist schon tot. Es ist Kerry Hightowers Tag. Aber es ist nicht Ihr Tag. Allerdings heißt das nicht, dass wir Sie nicht dermaßen übel zurichten können, dass Sie sich wünschen, er wäre es. Wir müssen herausfinden, wie Sie es gemacht haben. Sie entscheiden selbst, wie schlimm das für Sie wird.«
»Sie weiß überhaupt nichts«, flüsterte Mark flehentlich, während er sich halb vom Tisch wegdrehte.
»Was auch immer Sie sagen, es spielt nicht die geringste Rolle. Es ist ihr Tag. Also stehen Sie auf und gehen Sie, und zwar sofort. Haben Sie mich verstanden, Mark?«
Er wartete ein paar Sekunden lang, ohne zu antworten.
»Mark?«
Er klappte das Telefon zu und schob seinen Stuhl zurück.
»Was ist denn los?«, fragte sie.
»Gar nichts.« Er atmete schwer. Sein Gesicht war verzerrt.
»Geht es
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