Die Namen der Toten
letzter Zeit in diesem Bezirk gehäuft hatten. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras und die Aussagen der Augenzeugen deuteten darauf hin, dass zwei Männer, die allem Anschein nach aus dem Nahen Osten stammten, an allen fünf Taten beteiligt waren, und die Anti-Terror-Task-Force saß der Abteilung für Schwerverbrechen bereits im Nacken, um festzustellen, ob die Sache etwas mit Terrorismus zu tun hatte.
Nancy schien diese Mutmaßung völlig aus der Luft gegriffen, aber ihr Partner war offenkundig anderer Meinung.
»Man darf diese Fälle nicht leichtnehmen, Nancy. Das sollten Sie gleich zu Beginn Ihrer Berufslaufbahn lernen. Wir befinden uns in einem weltweiten Krieg gegen den Terrorismus, und ich halte es durchaus für angebracht, dass man diese Täter als Terroristen behandelt, bis das Gegenteil bewiesen ist.«
»Das sind nur Bankräuber, die zufällig wie Araber aussehen. Nichts deutet darauf hin, dass es um etwas Politisches geht«, beharrte sie.
»Aber wenn Sie sich auch nur ein einziges Mal irren, könnte bald das Blut von Tausenden Amerikanern an Ihren Händen kleben. Wenn ich weiter an dem Doomsday-Fall arbeiten würde, wäre ich auch dort einer möglichen Verbindung zum Terrorismus nachgegangen.«
»Es gab keinerlei Verbindung zum Terrorismus, John.«
»Das können Sie nicht wissen. Der Fall ist nicht abgeschlossen, es sei denn, ich habe etwas verpasst. Ist er denn abgeschlossen?«
Sie biss die Zähne zusammen. »Nein, John, er ist nicht abgeschlossen.«
Er hatte es bislang nicht zur Sprache gebracht, aber jetzt hatte er endlich seinen Anlass. »Was, zum Teufel, macht Will eigentlich?«
»Ich glaube, er denkt, dass er seinen Job macht.«
»Es gibt immer genau einen richtigen Weg, etwas anzupacken, und viele falsche – Will entscheidet sich ständig für einen der falschen Wege«, erwiderte er. »Ich bin froh, dass ich wieder da bin und Sie so ausbilden kann, wie es sich gehört.«
Sie verdrehte die Augen, als er nicht hinsah. Sie war schon nervös genug, und er machte alles noch schlimmer. Der Tag hatte mit der beunruhigenden Nachricht über den tödlichen Schuss auf Nelson Elder begonnen, sicher ein Zufall, aber Nancy hatte keine Möglichkeit, das nachzuprüfen – sie war von dem Fall abgezogen.
Will hatte die Meldung vermutlich im Autoradio gehört oder im Fernseher eines Motels gesehen, doch sie wollte ihn nicht anrufen, weil sie befürchtete, ihn in einer seiner Ruhepausen zu wecken. Sie musste warten, bis er sich mit ihr in Verbindung setzte.
Sie parkten gerade bei der Bank in Flatbush ein, als ihr Prepaid-Handy klingelte. Rasch löste Nancy ihren Sicherheitsgurt, stieg aus und ging so weit wie möglich von Mueller weg, ehe sie sich meldete.
»Will!«
»Ich bin’s, Laura.« Sie klang aufgeregt.
»Laura! Was ist los?«
»Mark Shackleton hat gerade bei mir angerufen. Er möchte sich mit Dad treffen.«
Will fuhr bergauf, und die Abwechslung tat ihm gut. Er war völlig erschöpft von der Fahrt durch das riesige, eintönige Flachland, und der Anstieg der Interstate 40 zu den Sandia Mountains besserte seine Laune. In Plainfield, Indiana, hatte er sich in einem Day Inn sechs Stunden Schlaf gegönnt, aber das war inzwischen achtzehn Stunden her. Ohne eine weitere Pause würde er bald einnicken und einen Unfall bauen.
Sobald er anhielte, würde er Nancy anrufen. Er hatte im Radio von dem Mord an Elder gehört und wollte feststellen, ob Nancy irgendwas wusste. Es machte ihn wahnsinnig, aber es gab noch andere Sachen, die ihn aufregten, unter anderem seine erzwungene Abstinenz. Er fühlte sich unheimlich kribbelig und versuchte sich mit albernen Sprüchen abzulenken:
›Hast du vielleicht ein kleines Alkoholproblem, Will?‹
›Hey, leck mich, mein einziges Problem ist, dass ich keinen Alkohol getrunken habe!‹
Außerdem beunruhigte ihn das, was er am Vortag zu Nancy gesagt hatte, das mit der Liebe. Hatte er das ernst gemeint? Oder war er nur müde und allein gewesen? Und sie? Hatte sie ihre Worte ernst gemeint? Jetzt, nachdem er so großartig die Liebe ins Spiel gebracht hatte, musste er das klarstellen.
Vielleicht besser früher als später. Da klingelte das Telefon.
»Hey, ich bin froh, dass du anrufst.«
»Wo bist du?«, fragte Nancy.
»Im schönen Staat New Mexico.« Im Hintergrund war Verkehrslärm zu hören. »Bist du auf der Straße?«
»Am Broadway. Freitagsverkehr. Ich muss dir etwas sagen, Will.«
»Wegen Nelson Elder, stimmt’s? Ich hab’s in den Nachrichten
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