Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
Vom Netzwerk:
Rat wurde gut genutzt, Herr Premierminister. Ich war bei einem Regiment, das mit der Erhaltung und Erfassung von geretteten Antiquitäten und Kunstschätzen beauftragt war, die von den Nazis aus Museen auf dem Kontinent geraubt worden waren.«
    »Ah«, erwiderte Churchill. »Gut, gut. Und nach Ihrer Entlassung haben Sie sich wieder Ihren akademischen Pflichten gewidmet.«
    »Ja, ich bin Professor für Archäologie und Altertumskunde am Butterworth College in Cambridge.«
    »Und diese Ausgrabung auf der Isle of Wight war Ihre erste Feldforschung seit Kriegsende?«
    »Ja, ich war schon vor dem Krieg dort, aber die aktuelle Ausgrabung fand in einem neuen Sektor statt.«
    »Aha.« Churchill griff zu seiner Zigarrenkiste. »Möchten Sie eine?«, fragte er. »Nein? Ich hoffe, es stört Sie nicht.« Er riss ein Streichholz an und paffte genüsslich, bis der ganze Raum eingenebelt war. »Sie wissen, wo wir uns befinden, nicht wahr, Professor?«
    Atwood nickte mit ausdrucksloser Miene.
    »Nur wenige Menschen, die nicht zum innersten Kreis gehörten, waren je in diesem Raum. Ich persönlich hätte auch nicht gedacht, dass ich ihn noch einmal betreten würde, aber ich wurde herbestellt, gewissermaßen aus dem Halbruhestand, um mich mit unserer kleinen Krise zu befassen.«
    »Ich bin mir über die Auswirkungen meiner Entdeckung im Klaren, Herr Premierminister, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass deshalb meine persönliche wie auch die Freiheit meines Teams eingeschränkt werden muss. Wenn es sich um eine Krise handelt, dann hat man eine daraus gemacht.«
    »Ja, ich schließe mich Ihrer Ansicht an, aber andere könnten anderer Meinung sein«, sagte Churchill mit einer Kälte, die den Professor sprachlos machte. »Hier geht es um Angelegenheiten von größter Tragweite. Es gilt die möglichen Folgen zu bedenken. Wir können Sie nicht einfach gehen und Ihre Erkenntnisse in irgendeiner verdammten Fachzeitschrift veröffentlichen lassen, verstehen Sie!«
    Der Rauch kratzte Atwood im Rachen, und er hustete ein paar Mal. »Ich habe Tag und Nacht über diese Sache nachgedacht, seit wir in Haft genommen wurden. Bedenken Sie bitte, dass ich es war, der sich mit den Behörden in Verbindung gesetzt hat. Ich bin nicht losgerannt, um in der Fleet Street bei der Presse anzurufen, müssen Sie wissen. Ich bin bereit, mich auf ein Geheimabkommen einzulassen, und ich bin davon überzeugt, dass ich auch meine Kollegen dazu überreden kann. Das sollte alle Bedenken hinfällig machen.«
    »Das, Sir, ist ein sehr nützlicher Vorschlag, über den ich nachdenken werde. Wissen Sie, im Lauf des Krieges habe ich in diesem Raum viele schwere Entscheidungen getroffen. Entscheidungen über Leben und Tod.« Er ließ seine Gedanken schweifen und erinnerte sich an seine besonders schreckliche Lage, als er zulassen musste, dass die deutsche Luftwaffe Coventry bombardierte, ohne dass er die Evakuierung der Bevölkerung anordnete. Wenn er das getan hätte, hätte man damit den Nazis verraten, dass die Briten ihre Codes geknackt hatten. Hunderte von Zivilisten waren deshalb umgekommen. »Haben Sie Kinder, Professor?«
    »Zwei Töchter und einen Sohn. Die Älteste ist fünfzehn.«
    »Nun, dann wollen sie ihren Vater sicher so schnell wie möglich zurückhaben.«
    Atwood, der von seinen Gefühlen übermannt wurde, stiegen Tränen in die Augen. »Sie waren uns allen ein Vorbild, Herr Premierminister, Sie waren für uns ein Held, auch für mich persönlich. Ich danke Ihnen aus ganzem Herzen für Ihr Eingreifen.« Der Mann schluchzte. Churchill biss die Zähne zusammen, als er sah, dass der Professor die Beherrschung verlor.
    »Machen Sie sich nichts daraus. Alles wird gut ausgehen.«
    Danach saß Churchill mit seiner halb aufgerauchten Zigarre allein da. Er konnte den Widerhall des Krieges regelrecht hören, die dringlichen Stimmen, das Rauschen der Funksprüche, die Einschläge der V1-Bomben in der Ferne. Die Wolken und Kringel aus blauem Zigarrenqualm schwebten wie Geistererscheinungen durch das unterirdische Labyrinth. Generalmajor Stuart, ein Mann, den Churchill während des Krieges beiläufig gekannt hatte, kam herein und nahm Haltung an. »Rühren, Generalmajor. Hat man Ihnen mitgeteilt, dass ich jetzt diesen Schlamassel am Hals habe?«
    »Man hat mich entsprechend unterrichtet, Herr Premierminister.«
    Churchill drückte die Zigarre in seinem alten Aschenbecher aus. »Sie halten Atwood und seine Leute drunten in Aldershot fest, richtig?«
    »Das ist richtig.

Weitere Kostenlose Bücher