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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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das uns, offen gesagt, zu heiß ist. Es handelt sich um eine sehr wichtige Entdeckung, aber wir befürchten, dass wir in unserer derzeitigen Situation, so kurz nach dem Krieg, nicht in der Lage sind, damit umzugehen. Bestenfalls könnte es das ganze Land von Wichtigerem ablenken, schlimmstenfalls zu einer nationalen Katastrophe führen.«
    Truman konnte sich vorstellen, wie Churchill dasaß, zum Telefon vorgebeugt, die mächtige Gestalt in Zigarrendunst gehüllt. »Wollen Sie mir nicht zuerst sagen, was Ihre Leute da überhaupt gefunden haben?«
    Dann hörte der unerschütterliche kleine Präsident zu, den Stift bereit, um sich Notizen zu machen. Nach einer Weile ließ er den Stift fallen, ohne ihn benutzt zu haben, und trommelte mit drei Fingern nervös auf seinem Schreibtisch herum. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, als wäre seine Krawatte zu eng gebunden und diese Aufgabe ein paar Nummern zu groß für ihn. Er hatte geglaubt, die Atombombe wäre seine Feuerprobe. Doch jetzt kam sie ihm nur noch wie ein Vorspiel zu einer weitaus größeren Sache vor.
    Neben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten hatten nur sechs weitere Männer in der Regierung Zugang zu Dokumenten, die mit »Ultra« ausgewiesen waren, einer Sicherheitsstufe, die so gut gehütet wurde, dass selbst die Bezeichnung streng geheim war. Hunderte, vielleicht sogar Tausende hatten vom Manhattan Project gewusst – dagegen war nur ein halbes Dutzend mit dem Projekt Vectis vertraut. Das einzige Mitglied in Trumans Kabinett, das die Sicherheitsstufe Ultra besaß, war James Forrestal. Truman mochte Forrestal persönlich, vor allem aber schenkte er ihm absolutes Vertrauen. Wie Truman war er Geschäftsmann gewesen, bevor er sich dem Dienst an der Allgemeinheit widmete. Er war Roosevelts Marineminister gewesen, und Truman hatte ihn in diesem Amt belassen.
    Forrestal war ein kühler, anspruchsvoller Workaholic, der den Kommunismus ebenso entschieden ablehnte wie der Präsident. Truman hatte ihn für höhere Aufgaben vorgesehen: Er sollte einen neugeschaffenen Posten in der Regierung einnehmen, den des Verteidigungsministers, und das Projekt Vectis sollte in seiner Verantwortung bleiben und ihn völlig in Beschlag nehmen.
    Jetzt brach Truman das Wachssiegel des Aktenordners, ein altes, aber bewährtes Mittel, um Vertraulichkeit zu garantieren. Darin befand sich zuoberst eine Mitteilung des Konteradmirals Roscoe Hillenkoetter, eines anderen Geheimnisträgers der Stufe Ultra, den Truman kurz darauf zum ersten Direktor eines neuen Nachrichtendienstes namens CIA ernennen sollte. Truman las die Mitteilung und nahm sich dann einen losen Stapel Zeitungsausschnitte vor, der ebenfalls in der Akte lag.
    Roswell Daily Record : RAAF erfasst fliegende Untertasse auf Ranch in der Region Roswell . Die Meldung des folgenden Tages lautete: General Ramey lässt Untertasse von Roswell wegschaffen . Sacramento Bee : Army gibt Fund einer fliegenden Scheibe auf Ranch in New Mexico bekannt . Dazu kamen ein paar Dutzend weiterer Berichte von den Nachrichtenagenturen AP und UP, die sich auf das gleiche Thema bezogen.
    Alea iacta est, dachte Truman, der sich unwillkürlich an den Lateinunterricht in seiner Kindheit erinnerte. Die Würfel sind gefallen, hatte Caesar beim Überschreiten des Rubikons erklärt, als er den Lauf der Geschichte änderte, indem er sich dem Senat widersetzte und mit seinen Legionen auf Rom marschierte. Truman schraubte seinen Füllfederhalter auf und schrieb auf einem Briefbogen des Weißen Hauses eine kurze Nachricht an Hillenkoetter. Er steckte sie zusammen mit den anderen Papieren in den Aktenordner und nahm sein altmodisches Kästchen mit dem Siegellack aus der obersten rechten Schreibtischschublade. Dann griff er zu einem Zippo, zündete den Docht einer kleinen Kerosinflasche an, brachte eine Stange Siegellack zum Schmelzen und ließ flüssigen Lack auf den Deckelkarton tropfen, bis er eine blutrote Pfütze bildete. Die Würfel sind gefallen.
     
    Am 24. Juni 1947 berichtete ein Privatpilot, der in der Nähe des Mount Ranier im Bundesstaat Washington flog, von untertassenförmigen Flugobjekten, die scheinbar ziellos umherschossen. Binnen weniger Tage meldeten Hunderte von Menschen im ganzen Land ähnliche Beobachtungen, und bald war in den Zeitungen nur noch von fliegenden Untertassen die Rede. Das Feld für Roswell war vorbereitet.
    Zehn Tage später, am Unabhängigkeitstag, wurde der Nachthimmel über Roswell, New Mexico, während eines heftigen

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