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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Der Professor glaubt, er wird freigelassen.«
    »Freigelassen? Nein. Bringen Sie ihn zu seinen Leuten zurück. Ich melde mich. Das ist eine heikle Angelegenheit. Man darf nichts überstürzen.«
    Der Generalmajor schaute den korpulenten Mann an, schlug die Hacken zusammen und salutierte.
    Churchill nahm seinen Mantel und den Hut, dann verließ er langsam, ohne sich noch einmal umzusehen, zum letzten Mal die War Rooms.

10. Juli 1947 – Washington, DC
    Harry Truman wirkte klein hinter seinem riesigen Schreibtisch im Oval Office. Er war eine tadellos gepflegte Erscheinung, seine blau-weiß gestreifte Krawatte war sorgfältig gebunden, der rauchgraue Sommeranzug zugeknöpft, die schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert, und jede Strähne des schütter werdenden Haares war ordentlich zurückgekämmt.
    In der Mitte seiner ersten Amtszeit hatte er den Krieg hinter sich. Seit Lincoln hatte kein Präsident mehr eine derartige Feuerprobe bestehen müssen. Durch die Launen der Geschichte war er in eine unvorstellbare Lage geraten. Niemand, er selbst eingeschlossen, hätte einen Fünfer darauf gewettet, dass er jemals im Weißen Haus landen würde. Nicht, als er fünfundzwanzig Jahre zuvor bei Truman & Jackson im Stadtzentrum von Kansas City Seidenhemden verkaufte, nicht, als er Richter im Jackson County war, ein Bauer im Apparat von Pendergasts Demokratischer Partei, auch nicht, als er Senator von Missouri wurde, aber nach wie vor von der Gunst seiner Fürsprecher abhing, und nicht einmal, als ihn Franklin Delano Roosevelt als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft auswählte – eine schockierende Kompromisslösung, auf die man sich 1944 beim Parteitag in Chicago in heißen, stickigen Hinterzimmern einigte.
    Doch zweiundachtzig Tage später wurde er als Vizepräsident eilends ins Weiße Haus gerufen, wo man ihm mitteilte, dass Roosevelt tot war. Über Nacht musste er die Regierungsgeschäfte von einem Mann übernehmen, mit dem er in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit kaum ein Wort gesprochen hatte. In Roosevelts innerem Kreis war er Persona non grata gewesen. Man hatte ihn nicht in die Kriegsplanungen einbezogen. Er hatte nie etwas vom Manhattan Project zum Bau der Atombombe gehört. »Jungs, betet für mich«, hatte er zu einer Schar wartender Reporter gesagt, und er hatte es ernst gemeint. Innerhalb von vier Monaten sollte der ehemalige Herrenausstatter die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki genehmigen.
    Im Jahr 1947 hatte er sich in die schwierige Aufgabe hineingefunden, eine neue Supermacht in einer chaotischen Welt zu regieren, und seine methodische, entscheidungsfreudige Art hatte ihm dabei gute Dienste geleistet. Denn die Herausforderungen waren regelrecht über ihn hereingebrochen – der Wiederaufbau Europas unter dem Marshall-Plan, die Gründung der Vereinten Nationen, der Kampf gegen den Kommunismus durch den National Security Act, die Weiterentwicklung der Sozialreformen im Inland durch den sogenannten Fair Deal. Ich kann diesen Job, versicherte er sich. Verdammt nochmal, ich bin dieser Aufgabe gewachsen. Dann landete eines Tages etwas Absonderliches in seinem Amtszimmer. Es lag vor ihm auf dem penibel aufgeräumten Schreibtisch, neben seiner berühmten Plakette mit der Aufschrift »The Buck Stops Here«.
    Der braune Aktenordner war mit roten Buchstaben beschriftet: »PROJEKT VECTIS – ZUGANG: ULTRA.«
    Truman dachte an den Telefonanruf, den er vor fünf Monaten aus London erhalten hatte; es war einer der Momente gewesen, die er für immer im Gedächtnis behalten würde. Er konnte sich sogar noch daran erinnern, welche Kleidung er an dem Tag getragen hatte, an den Apfel, den er gegessen hatte, und daran, was er kurz vor und nach dem Anruf von Winston Churchill gedacht hatte.
    »Freut mich, von Ihnen zu hören. Was für eine Überraschung!«
    »Hallo, Mr. President. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
    »Mir ist es nie besser gegangen. Was kann ich für Sie tun?«
    Trotz des Rauschens in der transatlantischen Leitung hörte Truman, dass Churchill offenbar schlucken musste. »Mr. President, Sie können eine ganze Menge tun. Wir befinden uns in einer außerordentlich schwierigen Lage.«
    »Natürlich helfe ich Ihnen, wenn ich kann. Ist das ein offizieller Anruf?«
    »So ist es. Ich wurde gewissermaßen hinzugezogen. Wie Sie vielleicht wissen, liegt vor unserer Südküste eine kleine Insel, die Isle of Wight.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Eine Gruppe von Archäologen hat dort etwas gefunden,

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