Die Namen der Toten
worden wären. Innerhalb seiner Gruppe waren die Stichwörter bekannt, ebenso die persönlichen Verschlüsselungssysteme, die sicheren Schnittstellen, die Kerberos-Chips und die Schaltungen zum Aufspüren eventueller Eindringlinge. Er war dafür verantwortlich, sämtliche Server ständig auf unbefugte Zugriffe zu überwachen, sei es von innerhalb der Anlage oder durch Hacker-Vorstöße von außen.
Der Wachdienst lieferte auch das Material für die Quarantänelisten von Marks Gruppe. Es gab eine für jeden Mitarbeiter – Namen von Angehörigen, Freunden, Nachbarn, Kollegen oder Kolleginnen der Ehegatten und so weiter, mit denen kein Kontakt erwünscht war. Spürte Mark mit einem seiner Algorithmen einen Mitarbeiter auf, der sich Zugang zu ihrer Quarantäneliste verschaffen wollte, musste dieser Kollege mit ziemlich unangenehmen Folgen rechnen. Noch immer erinnerte man sich hier an einen Computeranalysten, der Ende der siebziger Jahre versucht hatte, seine Verlobte auszuspähen, und angeblich heute noch in irgendeinem Gefängnis saß.
Plötzlich stöhnte Mark unter einem jähen Magenkrampf auf. Er biss die Zähne zusammen, stürmte aus seinem Büro und ging eilig durch den Korridor zur nächsten Herrentoilette.
Kurz darauf saß er wieder am Schreibtisch, fühlte sich erleichtert und umschloss etwas mit der linken Faust. Als er sicher war, dass ihn niemand beobachtete, öffnete er die Finger und betrachtete den Gegenstand. Es war ein patronenförmiges graues Stück Plastik, etwa fünf Zentimeter lang. Er ließ es in die oberste Schreibtischschublade fallen und ging in den Gemeinschaftsraum, der voller Leute war, die sich lautstark über ihre Pläne fürs Wochenende unterhielten. Wie unsichtbar lief er zwischen ihnen hindurch. In einem Materialraum fand er den Lötkolben, dann kehrte er ebenso unauffällig in sein Büro zurück.
Leise schloss er die Tür hinter sich. Da Rosenberg nicht da war, bestand so gut wie keine Gefahr, dass ihn jemand störte, deshalb nutzte er die Gelegenheit. In der unteren Schreibtischschublade lagen mit Gummis zusammengehaltene Computerkabelbündel. Er wählte einen USB-Anschluss aus und brach mit einer kleinen Zange vorsichtig einen der Metallstecker ab. Jetzt war die graue Patrone an der Reihe.
Eine Minute später war die Sache erledigt. Er hatte den Metallstecker an die Patrone gelötet und damit einen funktionsfähigen, vier Gigabyte starken Memorystick gebastelt, der drei Millionen Seiten Daten speichern konnte, ein Gerät, dass für Area 51 gefährlicher war, als hätte er eine Schnellfeuerwaffe eingeschmuggelt.
Mark legte den Memorystick in seinen Schreibtisch und brachte den restlichen Vormittag mit dem Schreiben eines Codes zu. Er hatte ihn sich auf der kurzen Fahrt zum Flughafen ausgedacht und tippte ihn jetzt mit flinken Fingern in seinen Computer. Es war ein Tarnprogramm, mit dem er kaschieren wollte, dass er sein eigenes Sicherungssystem zum Aufspüren von Eindringlingen abschaltete. Bis zur Mittagspause war er fertig.
Als die Kollegen im Gemeinschaftsraum und in den angrenzenden Büros zum Mittagessen gegangen waren, aktivierte er den neuen Code. Wie ihm von vorneherein klar gewesen war, funktionierte er bestens und war hundertprozentig sicher. Mit dem beruhigenden Gefühl, nicht entdeckt werden zu können, loggte er sich in die Hauptdatenbank der Vereinigten Staaten ein.
Dann gab er einen Namen ein: Camacho, Luis, geb. 12.1.1977, und hielt die Luft an. Der Bildschirm leuchtete auf. Kein Erfolg.
Natürlich hatte er noch andere Ideen auf Lager. Der Nächstbeste war seiner Meinung nach Luis’ Freund John. Mark ging zu Recht davon aus, dass er ihn leicht finden würde. Im Schutz seines Tarnprogramms öffnete er ein NTS-51-Portal und drang in eine kundenspezifische Datenbank ein, in der die Abrechnungen sämtlicher Telefonanbieter in den USA erfasst waren.
Als er zu dem Vornamen John die Adresse der Minnieford Avenue Nummer 189 auf City Island, New York, eingab, erhielt er den vollständigen Namen, John William Pepperdine, und eine Sozialversicherungsnummer. Nach ein paar weiteren Befehlen hatte er das Geburtsdatum. Ein Kinderspiel, dachte er. Mit diesen Daten ausgerüstet, drang er wieder in die US-Datenbank ein und klickte das Such-Icon an.
Er keuchte auf, konnte sein Glück kaum fassen. Das Ergebnis war hervorragend, nein, perfekt!
Er hatte seinen Ansatzpunkt.
Okay, Mark, halt dich ran, dachte er. Du bist reingekommen, jetzt geh schleunigst wieder raus! Bald würden
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