Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
macht man Fehler.«
Phillip rollte den Block zusammen und würgte ihn beinahe.
»Unglaublich, diese kalkulierte Bösartigkeit. Diese Frau hätte auch nicht davor zurückgeschreckt, einen anderen für sich ins Gefängnis gehen zu lassen.«
»Phillip, jetzt tun Sie nicht so. Das ist ja nicht Ihr erster Fall. Würden Sie sich nicht auch absichern?«
»Haben Sie es noch nicht bemerkt? Ich lebe ohne Netz.«
Maria sah Phillip geradeaus an. Irgendwelche Gedankenfetzen schienen zwischen ihnen beiden hin- und herzuzischen.
»Wenn man etwas wirklich will, sollte man mit mehr Absicherungen arbeiten. Und mit mehr Ernsthaftigkeit.«
Phillip stand auf und ging ins Theater.
Endlich hob frenetischer Applaus an. Maria hatte nicht mehr gedacht, dass sie die Matinee noch länger durchstehen würde. So viel Pathos auf einem Fleck war ihr zuwider. Vielleicht war es ja auch ehrlich gemeint. Nur – sie hatte mittlerweile so viel über die Stein erfahren, dass sie das Gesülze um die hehre Kunst der Kabarettistin nicht mehr hören konnte. Wer sagte was über ihre Lust zum Leben? Über ihre Liebe zu Männern und Frauen, denen sie wahrscheinlich mehr geschenkt hatte – in Summe –, als allen Zuschauern zusammengerechnet? Wer sagte etwas über ihr gewinnendes Wesen, das das Leben der alten Nachbarin wieder auf die Sonnenseite gelenkt hatte? Wer sagte was über die Faszination, die anscheinend von dieser Frau ausgegangen war? Die war nur offensichtlich durch die große Anzahl der Gäste. Da hatten sich sicher einige nicht ohne Probleme freigemacht. Aber das schien sie alle zu verbinden. Dieses Bedürfnis, eine Hommage an die Stein abzuliefern. Aber sie waren verlogen dabei. Maria mutmaßte, dass es wahrscheinlich daran lag, dass sie dann ihre eigenen Obsessionen, ihre eigene Faszination, die sie bei der Stein empfunden hatten, hätten zugeben müssen. Das war nicht gesellschaftsfähig. Auch nicht in diesen Kreisen, die ja angeblich ach so freizügig waren. Also trauerte man um die Künstlerin, die, nach Marias Meinung, nur ein kleiner Aspekt im Eigenschaftsspektrum der Stein gewesen war.
Standing Ovations für die Guthaus, die sich ganz bescheiden nur einmal verbeugte und dann theatralisch auf den leeren Barhocker neben sich zeigte. Schlagartig wurde Maria diese Frau in höchstem Grad unsympathisch. Nun – andererseits – das war ihre Art zu täuschen. Wenn sie selbst Elsa umgebracht hätte – oh, sie hätte auf der Trauerfeier wahrscheinlich auch die identischen Puppen, die ihre Freundschaft symbolisierten, ins Grab geworfen. Nein, es ging nicht um Sympathie oder Antipathie, es ging darum, dass Maria ihre Felle davonschwimmen sah. Wie sollte sie es beweisen? Berger kam auf die Bühne und führte seine gebrochene Frau in die Garderobe. Ja, das war wirklich ihre einzige Chance. Sie mussten Berger zum Sprechen bringen. Maria zog Phillip am Arm hinaus.
Erneut klopfte Maria an der Garderobentür der Guthaus. Irgendwie war ihr mulmig. Sie konnte – oder wollte – sich einfach nicht vorstellen, dass eine Frau ihre beste Freundin und Partnerin umbringt. Nur wegen einer alten Bumsgeschichte. Und warum dann nicht gleich ihren Mann dazu, der war ja immerhin auch daran beteiligt gewesen? Nein, es war irgendwie lächerlich. Und zugleich die einzige Lösung, die alle offenen Fragen beantworten konnte. Wenn auch das Motiv noch in tiefem Nebel lag. Maria tauchte wieder aus ihren Gedanken auf, als Phillip erneut klopfte. In dem Augenblick wurde die Tür dann auch endlich geöffnet. Berger sah sie mit strenger Miene an, schlüpfte aus der Garderobe und schloss schnell die Tür hinter sich.
»Es tut mir Leid, aber Sie können jetzt nicht zu meiner Frau. Das Ganze hat sie schon sehr mitgenommen.«
»Lieber Herr Berger, wir wollen ja eigentlich auch zu Ihnen, denn wir bräuchten noch Ergänzungen für das Protokoll.«
»Heute? Am Sonntag? Aber gut, wenn es schnell geht, fragen Sie mich.«
»Also gut, Mister, wenn Sie’s so eilig haben, dann gleich direkt. Noch einmal die Frage: Haben Sie was mit der Stein gehabt? Und spielen Sie nicht auf Unschuldslamm, wir haben inzwischen ein bissel recherchiert.«
»Was soll das jetzt? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass da nichts war.«
Berger hatte seine Stimme erhoben und sah nun ängstlich hinter sich zur Tür.
»Lieber Herr Berger, wenn Ihnen das alles so unangenehm ist, können wir ja ins Präsidium fahren. – Das wäre uns übrigens auch lieber.«
Ja, das schien für Maria ein
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