Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
weil er ebenso für sie fühlte wie sie für ihn? Oder mochte er sie wirklich nicht? Egal, nur nichts zugeben und nur nichts eskalieren lassen – lass die Finger von dem Roth.
»Aber ich denke, und deswegen sitzen wir heute ja auch hier beieinander, dass wir eine Form des Umganges miteinander finden müssen.«
»Müssen wir.«
Wieder dieser unbestimmte Ton.
»Aber immerhin mögen Sie auch Bier und Cordon bleu. Ist ja schon ein Anfang. Ach ja, und mögen Sie auch Rosen? Ich liebe sie nämlich.«
Ein Rosenverkäufer hatte das Lokal betreten, und Phillip winkte ihn zum Tisch. Maria war fassungslos. War sie in irgendein kitschiges Stück geraten? Sie war so irritiert, dass ihr nichts anderes als ›Oh doch, sehr gern sogar‹ zu stammeln einfiel. Phillip suchte eine Rose aus, bezahlte den Verkäufer, ohne zu handeln, und überreichte die Blume Maria.
»Wenn ich schon ein Macho bin, dann gehört das doch dazu. Machos halten doch die Türen und Mäntel auf und schenken den Frauen Blumen.«
»Das sind Gentlemen.«
»Wo ist da der Unterschied?«
»Gentlemen benehmen sich so, weil sie Respekt vor den Frauen haben.«
»Nicht, weil sie denken, die Frauen können sich nicht selbst die Tür öffnen?«
»So ein Blödsinn. Ich bin ja auch zu anderen Menschen freundlich und als Frau sicher kein Gentleman.«
Maria fühlte sich hoffnungslos in der Sackgasse. Was war das eben für ein Satz gewesen! Und überhaupt dieses ganze Thema! Viel zu gefährliches Terrain. Man kann nicht über Männer- und Frauenrollen diskutieren und dabei streng beruflich bleiben.
»Gut, dann sehen Sie die Rose als Geste der Freundlichkeit von Kollege zu Kollege, und nicht als Ehrerbietung eines Mannes gegenüber einer schönen Frau.«
Maria hasste Phillip. Wie konnte er nur so selbstsicher sein! Er spielte mit ihr. Und sie fiel auf sein Getue wie ein Schulmädchen herein. Daran konnte nur ihr Notstand schuld sein. Und jetzt spürte sie auch noch den Schnaps, wie er heiß und brennend den leeren Magen umschmeichelte. Wie eine Ertrinkende nahm sie ein Kornweckerl aus dem Körbchen. Schon der erste Biss brachte Besserung. Nach dem zweiten Bissen fühlte sie, dass sie ihre Unsicherheit ein wenig verlor. Sie hatte schlichtweg Hunger, das war also der Grund für ihre Angreifbarkeit. Maria versuchte zu resümieren: Die Taktik der coolen Chefin funktionierte nicht. Und flirten konnte und durfte sie sich nicht leisten. Also blieb nur mehr der wirklich ehrliche Weg.
»Hören Sie, Phillip, ich weiß nicht, welches Spiel wir da jetzt spielen, aber ich finde, wir sollten nicht spielen. Wir sollten uns ganz neutral einfach ein bissel besser kennen lernen. Sie erzählen was von sich und ich von mir. Ist das okay?«
»Das ist okay. Stoßen wir darauf an, auf die Ehrlichkeit.«
Trude hatte die beiden Biere gebracht. Das dicke, klobige Henkelglas fühlte sich in Marias Hand vertraut an, erinnerte sie an Elsa und an das Gefühl von freundschaftlichen Gesprächen.
»Gut, dann sagen Sie mir einmal … woher kommen Sie denn eigentlich?«
»Ich bin in Baden aufgewachsen.«
»Und warum sind Sie zur Polizei gegangen?«
»Ich weiß es nicht genau, nicht wirklich, wahrscheinlich, wie man so schön sagt, Berufung« – er lächelte entschuldigend –, »aber es gibt eine offizielle Geschichte dazu. Wir sind einmal überfallen worden in unserem Haus, aber die Einbrecher haben nur meine Mutter und meine Schwestern gesehen. Ich habe dann von einem Nebenanschluss aus heimlich die Polizei gerufen. Und die ist dann auch wirklich gekommen und hat die Typen einkassiert. Wahrscheinlich hat das so einen Eindruck auf mich gemacht, dass ich beschlossen habe, ein Freund und Helfer zu werden.«
»Das haben Sie erfunden!«
»Nein, echt nicht. Das waren zwei Typen, ganz klassisch mit Strumpfmaske und Knarre.«
»Und wo war Ihr Vater?«
»Nicht da.«
Maria wusste sofort, da hatte sie jetzt etwas berührt. Normalerweise wäre sie nicht so indiskret gewesen und hätte nicht weitergefragt, aber sie musste bei Phillip die Gunst der Stunde nutzen.
»Was heißt das? War er auf Firmenreise oder so?«
Phillip nahm einen großen Schluck vom Bier. Also auch er verhielt sich ganz nach dem Schema.
»Sie geben ja doch keine Ruhe vorher. Meinen Vater haben wir rausgeschmissen, als ich sechs war. Ich bin eines von den Kindern, die aus Prügelfamilien kommen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir ihn losgeworden sind, weil uns keiner geglaubt hat. Er war ja sooooo angesehen. Und hat
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